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Kolumne MachtEr mag Titten gar nicht

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Der Fall Katja Suding, FDP Hamburg, und Jörg Rupp: Dürfen Grüne umgangsprachliche Wörter für die weibliche Brust benutzen?

Büstenhalter: Wäschestück, das die weibliche Brust schützt und formt. Bild: dpa

J örg Rupp hatte das Sonntagabendessen gekocht und schaute Hamburg-Wahl, als sein Landesvorsitzender anrief. Tittengate! Wegen eines Tweets von ihm. „Mit Titten und Beinen anstatt Inhalten“, so hatte der grüne Gemeinderat von Malsch bei Karlsruhe den Wahlerfolg von Katja Suding (FDP) bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg analysiert.

Wenn er Morddrohungen bekommt für sein Anti-Pegida-Engagement, interessiert das kein Schwein, aber jetzt landet er auf dem Titel von Bild. Neben dem riesigen Foto von Sudings Beinen steht sein Zitat, sein Name und das Wort Skandal.

Was Inhalte sind, ist im Zusammenhang mit allen Parteien oft schwer zu sagen. „Beine“ ist jedenfalls ein Begriff für die untere Extremität von Mensch und Säugetier. Und „Titten“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für die weibliche Brust, der trotz Gründung der Grünen im Volk bis heute nachhaltig verankert ist; geschlechterübergreifend. Aber von einem grünen Mann als Wahlanalyse? Nicht nur Grüne, auch antisexistische Vorkämpfer wie Kubicki (FDP) und Strobl (CDU) sind empört.

Rupp, 48, ist Mitglied des baden-württembergischen Parteirats. Er hat fünf Söhne mit zwei Frauen (nacheinander). Tschernobyl und die Volkszählung haben ihn Mitte der 80er politisiert. Dann ist er auch noch linker Grüner. „Das ist in Baden-Württemberg schwer genug“, sagt er. Wer regiert, ist immer Realo. Anders als sein Ministerpräsident Kretschmann zog er sich mit 20 sogar aus dem organisierten Faschingsbusiness zurück, weil ihn das Saufen und der Sexismus dort anwiderten. Und jetzt das.

Ein Kurzschluss

„ ’Titten‘ darf man als Grüner nicht sagen“, sagt Rupp am Telefon. Ein Kurzschluss. Er möge den Ausdruck Titten selbst nicht. Weshalb er Suding umgehend um Entschuldigung bat, was sie akzeptierte. Allerdings: „Von meiner Kritik an der FDP-Kampagne lasse ich nicht ab.“

taz.am Wochenende

Vor einem Jahr gingen die Menschen in Kiew auf die Straßen, der Maidan wurde zum Ort ihrer Revolution. Ein Theaterstück zum Jahrestag lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./22. Februar 2015. Außerdem: Unser Autor ist per Bus von Deutschland in die Ukraine gefahren. Seine Mitreisenden sind die, in deren Land Krieg herrscht. Und: Weil China wächst, will die Regierung den Reis als Grundnahrungsmittel durch die Kartoffel ersetzen. Aber sie schmeckt den Chinesen nicht. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen http://taz.de/we

Rupp war im Grunde der Allerletzte, der der FDP und ihrer Spitzenkandidatin vorwarf, mit „gutem“ Aussehen Wahlkampf zu machen. „Der Verdacht, dem Äußeren mehr als den Inhalten verpflichtet zu sein“ – mit solchem Blabla wurden die Seiten drei gefüllt, also das Heiligtum des Qualitätsjournalismus. Die Welt fragte: „Mehr als Bein und Busen?“ Bildunterschrift: „Voller Körpereinsatz“.

So ging das ständig. Die angebliche Kritik an einem ARD-Kameraschwenk über Sudings untere Extremitäten wurde (aus Gründen der Informationspflicht) entsprechend bebildert. Eine Gala-Fotostrecke wurde dito rauf- und runtergehechelt. Naserümpfend, kulturpessimistisch. Wo sind wir da nur hingekommen?

Look at yourself. Den wichtigsten Beitrag zum FDP-Erfolg leistete weder Sudings Körper noch ihr Geist, noch Gala, sondern die scheinheilige, aufgegeilte und antipolitische Auseinandersetzung mit der Thematisierung ihres „guten“ Aussehens durch sie selbst, die FDP und die anderen Medien. Wir alle sind Gala. Die Sache ist ein erneuter Beleg, mit welcher Besessenheit sich auch die angeblich kritische Medienöffentlichkeit an Oberflächengedöns festbeißt.

Mit welcher Inbrunst es darum geht, potenzielles individuelles Fehlverhalten zu geißeln, was Haltungen und Sprache angeht. Und wie blass dagegen die Prozesse sind, die gleichzeitig die Welt wirklich – und zum Schlechteren – verändern. Da sieht man mal, wie sehr grüne Politik tatsächlich auf die Gesellschaft eingewirkt hat: Erst wenn der letzte Titten-Sager abgeurteilt ist, kann sich das geläuterte Land dem Klimawandel zuwenden. Also nie.

Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass Katja Suding gut aussieht.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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10 Kommentare

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  • Vielen Dank an die leitende Zensuroberstabsführungsstelle der taz für die Löschung meines Beitrags von gestern. Tatsächlich erübrigt sich ja im Grunde auch jedes Wort zur FDP und ihren KandidatInnen. Offenbar dürfen selbst Ungrüne - wie ich - das Wort "Titten" aus dem Text von Peter Unfried hier nicht einfach aufgreifen, solange sich nicht eindeutig klären lässt, was damit gemeint sein soll und gegen wen es sich richtet.

    • @Rainer B.:

      Muß es nicht …schlagoberst… heißen?

      • @Lowandorder:

        Wattn dette? Nu wernse ma nich jleich obzön!

  • Na - wa is denn hier für Tote Hose _

    egal 3.0

     

    Na – die Argotexperten a taz

    Lost in translation?

    egal 2.0

     

    Ceterum censeo – dear Unfrieds Peterle –

     

    “…Mit welcher Inbrunst es darum geht, potenzielles individuelles Fehlverhalten zu geißeln, was Haltungen und Sprache angeht. …”

     

    spricht der Richtige, denn – im übrigen bin ich der Auffassung –

    Look at yourself – ja – denn was – Sprache angeht – muß es

    “…potentiell individuelles…” heißen –

     

    und was Haltung angeht – sorry young man –

    “…Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass Katja Suding gut aussieht.…”

    Ist genau das – der Sack Reis zu viel, der umfällt.

     

    Ps: Danke für Ihren Kommentar. Er wartet auf Freischaltung. Bitte haben Sie Geduld und senden Sie ihn nicht mehrfach ab. – ok –

    mit F.K.Waechter – NÖ WIESO!. . .und danke für den Fisch

  • Titten, Möppse, Hupen, Tüten, Ballons, Oschis, Brüste... Was solls? Da es ja um Geschlechtsorgane geht, ist die Grenze zum Sexismus nahe. Man(n) sagt auch eher Pimmel oder Schwanz als Glied. Dass das jetzt ein Skandal sein soll? Es ist eher ein Skandal dass die FDP gewählt wurde. Und mit allem Respekt Frau Suding ist jetzt nicht der Inbegriff einer Sahneschnitte. Was mich zurückbringt zum Skandal. Weder Inhalte noch Gesichter, was zum Teufel reitet Menschen die FDP zu wählen?!?!?!??!?????!??????!!!!

  • Zitat:

    "Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass Katja Suding gut aussieht."

     

    Darüber bin ich auch gestolpert, als ich einen TV-Bericht zu dem Thema gesehen habe. Habe extra noch in der Aufzeichnung vor- und zurückgespult, um mir Frau Suding länger anschauen zu können. Ich staunte über die Hype, welche die angebliche Attraktivitä ausgelöst haben soll.

     

    Sie bedient sich natürlich der üblichen Verpackungs-Methoden für Business-Frauen, welche in bestimmten Blickwinkeln gut rüberkommen. Aber sobald das alles wegfällt, fällt das Kartenhaus in sich zusammen ...

     

    Insofern also doppelt doof von Rupp, einem Verpackungsprofi wie K. Suding ausgerechnet Erfolg durch sexuelle Attraktivität zu bescheinigen, wo nach meiner Ansicht nur geschickte Optik eingesetzt wurde.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Wahrscheinlich darf man dann auch nicht mehr sagen, dass Anton Hofreiter aussieht wie Sissi auf Speed.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Wer soll das denn sein? ;)

      • @Spider J.:

        Sissi?

  • Mal davon abgesehen, dass er sowohl Katja Suding als auch das Qualitätsleitbild der 'bild' punktgenau beschreibt - es ist immer wesentlich lustiger, ansonsten klemmige Puritaner und Jakobiner und Besser-Bessermenschen sowas sagen zu hören :D