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Kolumne LügenleserKein Freund und Helfer

Die Polizei soll darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Was aber, wenn sie ein unkontrollierbares Eigenleben entwickelt?

Ein Mann zum Vertrauen? Foto: Florian Gaertner/photothek/Imago

Der Ruf der Polizei ist nicht mehr der beste. Die Reaktion der Beamten darauf scheint sich an der alten „Ist der Ruf erst ruiniert …“-Binsenweisheit zu orientieren. Ob Staatsdiener wie jüngst in Dresden mit voller Härte gegen Journalisten vor­gehen, ob sie offenbar Kollegen decken, die unter dem Kürzel „NSU 2.0“ Drohbriefe an eine Anwältin verschicken, ob sie sich im Alltag aufführen wie Hooligans und Richter in einer Person, ob sie offen fremdenfeindlich agieren oder sogar Gefangene in ihrer Obhut sterben: Nichts davon hat bisher dazu geführt, eine externe Kontrollstelle einzurichten, die sich dieser strukturellen Probleme annimmt.

Die Polizei, dein Freund und Helfer – für mich traf das leider noch nie zu. Bereits als Kind und Jugendlicher begannen die negativen Erfahrungen. Mal stürmten Beamte in Kampfmontur einen Kinderbauernhof, weil ihnen die Transparente dort nicht passten, mal nahmen sie Freunde von mir grundlos fest, weil ihnen deren Haarfarbe nicht gefiel, mal wurde ich auf der Wache brutal zusammengeschlagen, weil ich in meiner Jugend gerne mit Spray­dosen hantierte.

Mir ist schon klar, wie die Verteidiger der Staatsmacht argumentieren werden, wenn man auf die strukturelle Gewalttätigkeit und den notorischen Rassismus in der Polizei hinweist: „Komisch, warum ist mir das noch nie passiert?“ Oder: „Selber schuld, wenn sie Gesetze brechen.“ Gerne auch: „Aber dann die Polizei rufen, wenn Not am Mann ist.“

Warum diesen Menschen noch nie etwas Vergleichbares passiert ist, kann man oft so erklären: Weder kommen sie aus einer sozial schwachen Gegend, die bei der Polizei einen schlechten Ruf hat. Noch beteiligen sie sich an Demonstrationen. Sie haben keine dunkle Haut oder Haare. Und sie widersprechen nicht, wenn sie sehen, wie Polizisten illegal handeln.

Regelbewahrer?

Dass man sich nicht beschweren muss, wenn man sich nicht an die Regeln hält, ist ein Widerspruch in sich. Denn die Polizei ist ja angeblich dazu da, diese Regeln zu bewahren. Einen Jugendlichen grün und blau zu schlagen, der Wände mit Farbe anmalt, ist nicht Teil dieses Regelkatalogs.

Dafür muss man normalerweise in Länder fahren, die etwa die Scharia anwenden. Komischerweise sind die Verteidiger von solch überhartem Vorgehen der Polizei meist die gleichen Menschen, die unbegründet Angst davor haben, den islamischen Strafkatalog bald in Deutschland über sich ergehen zu lassen. Paradox!

Und ja, natürlich rufe ich die Polizei, wenn ein Einbrecher in meiner Wohnung ist. Deswegen darf ich die unzumutbaren Zustände trotzdem kritisieren. Wenn komplette Einheiten die Gewalttäter, Rassisten und Rechtsbrecher in den eigenen Reihen schützen, dann gilt auch das Argument nicht mehr, dass es sich um einzelne schwarze Schafe handeln würde. Die Polizei hat längst ein unkontrollierbares Eigenleben entwickelt. Zeit, dass endlich richtig kontrolliert wird, wer uns da so kontrolliert.

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6 Kommentare

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  • Zustimmung!



    Die Polizei hat sich zu einer (nahezu) unkontrollierten Organisation entwickelt, die sich an keinerlei Gesetze hält.



    Bullen lügen kackfrech und dummdreist, erfinden Vorwürfe gegen unliebiege Menschen, prügeln friedliche Menschen Krankenhausreif und werden dafür niemals zu Rechenschaft gezogen.



    Bullen waren auch wesentliche Mitverursacher des tödlichen Gedränges bei der Loveparade in Duisburg und es wurde nicht einmal Ermittelt.

  • Bei mir hat die Polizei einen ausgesprochen guten Ruf. Es gibt einige auf Krawall gebürstete Polizisten, ohne und mit politischer Ausrichtung, klar, gibt es in der übrigen Bevölkerung auch. Sehr viele die ich getroffen habe haben auch in hitzigen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt und richtig gehandelt.



    Demos sind immer speziell und hängen sehr vom vorigen Briefing ab, da sich die Einsatzbeamten in der kurzen Zeit meist selber kein eigenes Bild machen. Eine Hundertschaft die erstmal nachdenkt und debattiert wird schnell aufgerieben und es endet in einem Fall Nivel (Daniel Nivel, ich hoffe dass es ihm nach und nach besser geht).

  • Zustimmung! Meine Rede schon seit Jahren. In einem Rechtsstaat muss es selbstverständlich sein, dass auch und gerade die Polizei sich ausnahmslos an Recht und Gesetz hält.



    Insbesondere sind bei j e d e r polizeilichen Maßnahme immer die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit zu wahren und vor allem die Grundrechte der Betroffenen - soweit irgend möglich - nicht zu verletzen.



    Davon kann aber heute leider immer öfter gar keine Rede sein. Stattdessen werden ja nicht selten Regelverstöße aller Art im Nachhinein als Begründung für unverhältnismäßiges Polizeihandeln vorgebracht. Der Gesetzgeber nennt dies „Amtsmißbrauch“ und stellt dies grundsätzlich unter Strafe.

    www.verwaltungsrec...echt/index_04.html

  • "Der Ruf der Polizei ist nicht mehr der beste."

    Da scheinen sie ein wenig in ihrer Bubble gefangen zu sein. Das Ansehen der Polizei ist in Umfragen unverändert hoch. Vertrauenswerte von 84% und in den Top 10 der Berufsgruppen, die das meiste Vertrauen geniesen.

    • @gyakusou:

      Aber nicht in Frankfurt/Main: Dort gab es bereits zwei Demonstrationen vor dem 1. Polizeirevier, mit – zum Teil – über tausend Teilnehmern. Laut dem hessischen Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Engelbert Mesarec, wird diese Dienststelle mittlerweile von vielen BürgerInnen als “Nazi-Revier“ bezeichnet. Mag sein, dass die rechte Gesinnung von PolizistInnen, beispielsweise bei zahlreichen BürgerInnen des Freistaats Sachsen, besonders gut ankommt. Dennoch bin auch ich der Meinung, dass man bei diesem Thema nicht alle PolizistInnen “über einen Kamm scheren“ darf; das wäre ungerecht!

  • Narrenfreiheit!?

    Polizeiübergriffe (und andere von PolizistInnen begangene Taten) bleiben all zu oft ohne Konsequenzen für die “Täter in Uniform“; werden weder strafrechtlich noch disziplinarisch verfolgt. Der Vorwurf: Strafverfahren gegen PolizeibeamtInnen werden von den Staatsanwaltschaften (StA) zu schnell eingestellt, ein Problem über das in den Medien häufiger berichtet wird.



    So lange PolizeibeamtInnen “Hilfsbeamte“ bzw. “Ermittlungsgehilfen“ der StA sind wird diese Ungerechtigkeit fortbestehen. Staatsanwaltschaften und Gerichte sind in Strafverfahren von der Vorarbeit der Polizei abhängig. PolizeibeamtInnen gehen zudem als ZeugInnen in Gerichtssälen ein und aus - man kennt sich vielerorts untereinander sehr gut.



    Einem jüdischen Professor, der im Juli '18 in Bonn Opfer einer Verwechslung geworden ist und von der Polizei geschlagen wurde, wurde seitens der BeamtInnen gedroht: Sollte er Anzeige erstatten, würde es Ärger geben.