Kolumne Liebeserklärung: Endlich verständlich
Vom Namen mal abgesehen: Das „Starke-Familien-Gesetz“ ist nicht gleich schlecht, nur weil jeder verstehen kann, worum es geht.
E in Raunen geht durch die Redaktionsstuben. Das „Starke-Familien-Gesetz“. Und das „Gute-Kita-Gesetz“. Herrje, was hat sich Familienministerin Franziska Giffey (SPD) denn bei solchen Namen gedacht, wird empört gefragt und kollektiv die Nase gerümpft. Sprechen wir jetzt wie das gemeine Fußvolk auf der Straße? Es war so schön exklusiv hier, als sich der Politikbetrieb durch eine gutbürgerlich-gebildete Sprache nach außen hin abgrenzen konnte.
Es kann doch nicht das Ziel sein, dass es den Durchschnittsbürgern durch komplexe Bezeichnungen schwer gemacht wird, sich an der Debatte um Gesetze zu beteiligen. Etwa wie beim „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Eigentlich eine gute Sache: Ein Gesetz zum effektiven Melden von Straftaten bei Facebook. Doch hätte man es damals so genannt, wären die Bürger womöglich auf die Idee gekommen, tatsächlich mehr Hass im Netz zu melden.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) macht das anders: Sie spricht wie die Menschen, für die sie Gesetze macht. Dass das für viele Kommentatoren ein Affront ist, zeigt, was Politik und Medien noch lernen können. „Wir wollen mehr Berliner Schnauze wagen“, könnte Giffeys neuer Wahlkampfspruch lauten.
Was heißt hier „Infantilisierung“?
Einige Journalisten zögern, den Namen „Starke-Familien-Gesetz“ in die Zeitung zu schreiben. Denn das könnte ja Werbung für die Ministerin sein, die ihr Gesetz mit diesem Namen beliebter machen will. Beim „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ von Heiko Maas hat das allerdings niemand gesagt. Da war der Name offenbar unverständlich genug, um nicht als Schleichwerbung zu gelten.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Aber etwas Schlechtes findet man immer. Haben Gesetze einen unaussprechlichen Namen, kritisieren Medien und Opposition, dass die SPD ihre Erfolge nicht gut verkaufe. Sind die Namen auch für Menschen ohne Doktortitel verständlich, heißt es, das sei eine „Infantilisierung“. Für alle, die keine Ahnung haben, was das bedeutet: Das heißt auf Deutsch „Bevormundung“.
Ist es bevormundend, wenn man ein Gesetz scWas heißt hier „Infantilisierung“?hreibt, durch das arme Familien mit Kindern mehr Geld bekommen, damit diese stark durchs Leben gehen? Ist es bevormundend, wenn die Politik gute Kitas will und dann vom „Gute-Kita-Gesetz“ spricht?
Im Grundgesetz stehe nicht, dass man jedem Gesetz einen „bescheuerten“ Namen geben müsse, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. Da muss man den beiden Sozialdemokraten recht geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag