Kolumne Liebeserklärung: Bye-bye, Christian Lindner
Das Groko-Sondierungspapier sieht keine Steuersenkungen für Spitzenverdiener vor. Mit dem FPD-Chef wäre das nicht passiert.
D as war’s. FDP-Chef Christian Lindner kann abdanken. Denn nun ist für jeden Wähler offenbar, dass er kein Super-Stratege ist, sondern einer der größten politischen Trottel, die die bundesdeutsche Geschichte je gesehen hat.
Seine wohlhabenden Anhänger haben es jetzt schwarz auf weiß: Für die Reichen war es extrem teuer, dass Lindner die Jamaika-Koalition platzen ließ. 45 Milliarden kann die nächste Bundesregierung verteilen, weil die Steuereinnahmen sprudeln. Doch von diesen 45 Milliarden werden die Unternehmer und die Spitzenverdiener nichts sehen.
Viele FDP-Fans hatten nur ein Ziel: Steuersenkungen. Deswegen haben sie die Liberalen gewählt. Deswegen haben sie großzügig gespendet. Doch jetzt müssen die Spitzenverdiener feststellen, dass es zwar ein Steuergeschenk von 10 Milliarden Euro gibt, indem der Soli gesenkt wird – aber dass sie selbst davon nicht profitieren werden. Stattdessen geht das Geld, Skandal für FDP-Wähler, nur an die unteren 90 Prozent. Unter Jamaika wäre das nicht passiert.
Es ist beispiellos in der deutschen Geschichte, dass die Reichen von einer Koalition gar nicht bedacht werden. Aber es ist kein Zufall. Die Union wollte sich an Lindner rächen. In aller Härte sollte der eitle FDP-Chef erleben, dass es sich nicht auszahlt, eine Partei als Nichtregierungsorganisation zu betreiben und sich in die bequeme Opposition zu verziehen.
Die Union wollte Lindner entzaubern – und das ist ihr perfekt gelungen, ohne dass sie selbst viel opfern musste. Zwar stand im Wahlprogramm der Union, dass es Steuersenkungen „für alle“ geben sollte – also auch für die Reichen. Aber diese Klientel war ja bei der Wahl zum vorlauten Herrn Lindner übergelaufen, sodass man die Spitzenverdiener ruhig brüskieren konnte. Wie Lindner sollten auch sie lernen, dass es einen hohen Preis hat, die Union zu vergrätzen.
Lindner steckt jetzt in der taktischen Todesfalle: Sobald er die Große Koalition kritisiert, wird seinen Anhängern klar, wie teuer es war, dass die FDP Jamaika platzen ließ. Schweigt Lindner, ist er in der Opposition überflüssig.
Lindner hat sich als der superhippe Chefstratege inszeniert. Nun ist klar: Er war nur ein Posterboy.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Klimaschützer zu Wahlprogrammen
CDU/CSU und SPD fallen durch, Grüne punkten nur wenig