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Kolumne LiebeserklärungMerkel ist eine Khaleesi

Man muss nicht mit Merkels Politik einverstanden sein, um zuzugeben: Ihre Art, Politik zu machen, ist derzeit die einzig würdige.

Angela Merkel, du bist die fokussierte Drachenreiterin der Herzen! Foto: Tom

N ach der Wahl staunen wieder alle: Die gesamte Parteienlandschaft ist in Aufruhr, aber Merkel steht wie ein Felsen mitten in der Brandung. Wie schafft sie das? In den vergangenen Wochen fallen schon wieder abschätzige Bezeichnungen wie „Teflon“, „Pudding“ oder „Mutti“: Statt den Fehler bei sich selbst zu suchen, projizieren Beobachter auf Merkel.

Es ist aber auch nicht schwer, die einzige Erwachsene im Raum zu sein, wenn man von Hampelmännern wie der CSU, Wanklern wie der SPD, „Hat-Sich-Stets-Bemüht“-Politikern wie den Grünen, Opportunisten wie der FDP oder Daueroppositionellen wie den Linken umgeben ist. Es ist wie bei der Fernsehserie „Game of Thrones“: Während sich die halbe Welt um den Eisernen Thron balgt und die Zombie-Armee ihren Angriff beginnt, ist Merkel die fokussierte Drachenreiterin, die ihre künftige Hauptstadt nicht für den schnellen Sieg in Schutt und Asche legt. Sie ist eine Khaleesi.

Merkels Politik ist werteorientiert wie in der Flüchtlingskrise, aber sie erlaubt sich auch dazuzulernen wie bei der Abschaffung der Atomkraft. Sie agiert taktisch geschickt wie beim drohenden Grexit, gibt aber in entscheidenden Augenblicken auch ihr politisches Kapital aus, um unpopuläre Politik durchzusetzen wie nach Fukushina. Es stimmt auch nicht, dass sie alles dominiert: In der letzten Regierung hatten genügend Minister und auch die SPD gute Möglichkeiten sich zu profilieren. Merkel steht sogar beiseite und lässt die Opposition die mehrheitsfähige „Ehe für Alle“ durchsetzen, mit der sie nicht einverstanden ist.

Merkel quatscht nicht dauernd mit der Presse, und sie informiert sich auch nicht primär aus der Presse: Fast jeden zweiten Tag erhält sie eine neue, vom Kanzleramt bestellte Meinungsumfrage, die sie gründlich liest, wie der Spiegel berichtet. Dass ihre Sicht auf die Welt vom Werk des herausragenden Welthistorikers Jürgen Osterhammel informiert ist, spricht ebenfalls dafür, dass einen Blick für die großen Zusammenhänge hat.

An der Flüchtlingskrise sieht man vieles davon: Merkel nutzt ihre Macht, um eine unpopuläre und letztlich teure Entscheidung zu treffen und die Grenzen zu öffnen. Sie begründet das, völlig richtig, mit der menschenrechtlichen Verpflichtung, Notleidende aufzunehmen. Wenn die CSU nach einer Obergrenze schreit, lehnt sie das ab, denn Menschenrechte sind unteilbar. Aber: Sie findet eine außenpolitische Lösung mit dem Türkei-Deal, der die Flüchtlingszahlen reduziert, ohne ein Zugeständnis an die Rumpelstilzchen aus Bayern zu sein.

Der Türkei-Deal ist dennoch höchstproblematisch, ja: falsch, und die von der CDU vorangetriebenen Asylpakete ebenfalls. Aber Merkel ist ehrlich über ihre Motivationen und lässt sich vor allem an ihren Taten messen. Das ist das Gegenteil von dem, was zum Beispiel die AfD ist, die viel protzt und wenig kann. Ihre Standhaftigkeit fehlt aber – leider – auch im linken Lager.

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Lalon Sander
Datenjournalist
Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.
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8 Kommentare

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  • Merkel die fokussierte Drachenreiterin - aber welches Drachens?

    "Merkels Politik ist werteorientiert wie in der Flüchtlingskrise." Oder vielleicht folgte sie dort doch einem auf Machterhalt ausgerichteten Kalkül? Das ist doch zumindest eine Überlegung wert. Letzten Endes blieb ihre menschfreundliche Geste doch nur eine symbolische. Ihr folgte ein menschenfeindlicher Pakt mit der Türkei. Und so feiern sie Leute wie der Autor dieses Artikel, als eine die den Notleidenden hilft, während sie den Notleidenden eigentlich nicht hilft.

    Ähnliches gilt für die "Ehe für alle". Merkel lässt die Opposition einen unbedeutenden Sieg einfahren, während ihr ihre konservatives Wählerschaft kurz vor der Wahl nochmal applaudiert, sie vielleicht sogar den Ein- oder Anderen für sich gewinnt - für ihre symbolisch wertvolle Ablehnung der "Ehe für Alle". Merkel reitet definitiv keinen Drachen der Freiheit und menschenrechtlichen Verpflichtung.

  • Nehme an - Tarnkappensatire aus der -

    taz - Schülerzeitungsausgabe!

    Vor-Abi-Fassung - unredigiert - kerr!

    kurz - Ball flach halten. Newahr.

    Keine eine eine Frage - gell! &

    Dank im Voraus.

  • Politik ist keine Fernsehserie, und natürlich muß man Frau Merkel an ihrer Politik messen, um sie zu bewerten. Meine Güte, ist die Taz zur Krabbelgruppe verkommen?

  • "Merkels Politik ist werteorientiert wie in der Flüchtlingskrise, aber sie erlaubt sich auch dazuzulernen wie bei der Abschaffung der Atomkraft."

     

    Stimmt. Bei Flüchtlingen hat sie auch dazu gelernt. Die lässt sie jetzt diskret in der Sahara verrecken...

     

    PS: Es werden gerade neue Posten vergeben. Vielleicht ist noch eine als Hofsänger frei?

  • „Es ist aber auch nicht schwer, die einzige Erwachsene im Raum zu sein, wenn man von Hampelmännern wie der CSU, Wanklern wie der SPD, „Hat-Sich-Stets-Bemüht“-Politikern wie den Grünen, Opportunisten wie der FDP oder Daueroppositionellen wie den Linken umgeben ist.“

     

    Wie bitte? Es ist aber auch nicht schwer, auf der Position der größten Macht den Mythos einer Neutralität zu produzieren, in dessen Spiegel dann alle anderen naiv, dumm, unfähig oder infantil erscheinen.

     

    Lalon Sander, bitte ein bisschen mehr Respekt für die legitime Position der Kritiker*innen.

  • Merkel ist keine Khaleesi! Sie lässt ihre Feinde nicht foltern und verbrennt sie auch nicht bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen. Sklavenhaltung und Vergewaltigungen durch ihre Anhänger lehnt Merkel ab. Sie führt auch keinen Krieg gegen Russland und Frankreich, um Ostpreussen und das Elsass zurück zu holen. Merkel ist keine Tyrannin oder Kriegsverbrecherin, sie ist einfach nur eine Mutti.

  • Ihre Entscheidung in der Flüchtlingskrise war eine ökonomisch-demographische; Humanismus war vorgeschoben - für die Medien und die Grünen.

     

    Atomausstieg war eine publikumsopportune Spontanentscheidung - für die Medien und die Grünen. Schlecht für den kleinen Mann, der seine Stromrechnung bezahlt.

     

    Ja, Merkel hat ihre Politik aus den speziellen Meinungsumfragen - so wirkt sie auch.

     

    Ich glaube sie tickt eher so: https://www.youtube.com/watch?v=25GXmHHL-bg

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Voll würdig das Hartz IV, der Neoliberalismus und die sog. "Lager" in Nordafrika (was für Lager bitte schön, wir haben da einen passenden Begriff dafür und der ist weder "Flüchtlingslager", noch "Internierungslager").

    Die einzig würdige Politik.

    Ist das nicht derselbe Verfasser, der immer über andere dumme weiße Männer schreibt?