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Kolumne LiebeserklärungLässig, staatsmännisch, Lammert

Der Bundestagspräsident spricht aus, was man von der Kanzlerin hören will. So auch bei der jüngsten Kritik am türkischen Präsidenten.

Lammert ist das gute, weil über jeder Parteipolitik schwebende Gewissen der Union Foto: ap

„Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet (…), hätte ich nicht für möglich gehalten.“ Nanu? Wird die Kanzlerin endlich persönlich? Hat sie etwa ihre angsterfüllten Volten um Erdoğans Wohlbefinden herum aufgegeben? Nein, denn fürs Grobe hat sie ihren Mann im Plenum: Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Der also sagte nun, was von Erdoğans neuester Impertinenz zu halten ist. Wenigstens einer: Angela Merkel hatte bezüglich der Drohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete nur ihren Sprecher ausrichten lassen, so etwas sei „in keiner Weise nachvollziehbar“. So weit, so schnarch. Als Lammert nun deutlich wurde, haute Merkel beim Applaus selbst für ihre Verhältnisse leidenschaftslos die Hände aneinander. Kein Wunder – sie wusste natürlich, dass so gut wie jeder im Plenarsaal gerade dachte: Das hätte eigentlich von ihr kommen müssen.

Aber so ist nun mal die Arbeitsteilung Lammert-Merkel: Er spricht aus, was man von ihr gerne hören würde. Dabei sorgt er nicht nur für die klaren Worte, die ihr komplett abgehen, sondern auch für die nötige moralische Schwere. Stets guckt er so betrübt über seine Brille, macht so vorwurfsvolle Pausen nach jedem Halbsatz, dass man sich sofort (fremd-)schämt. Lammert ist das gute, weil über jeder Parteipolitik schwebende Gewissen der Union – ach was, der Regierung, wenn nicht gar des Landes. Merkels Moraläffchen ist er aber nicht. Wenn er etwas nicht gut findet, stellt er sich notfalls offen gegen Fraktion und Kanzlerin.

Sollte er also Bundespräsident werden, wie Eilige nun wieder fordern? Nein. Der Bundestag braucht ihn für seine Glaubwürdigkeit. Repräsentative Aufgaben übernimmt er schon im Zweitjob als Bierbotschafter des Deutschen Brauer-Bundes. Und egal, wer auf Gauck folgen mag: Er oder sie muss das lässige Staatsmännische von „Pfeifenraucher des Jahres 2013“ Lammert toppen.

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9 Kommentare

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  • Dass der Bundestagspräsident das sagt, an zweithöchster Position im Staat, noch vor der Kanzlerin, ist völlig in Ordnung.

    Das Problem ist nur, daß zuwenige Ahnung von der protokollarischen Reihenfolge haben.

  • „Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet (…), hätte ich nicht für möglich gehalten.“ - Schon okay, was Lammert sagen wollte, aber gesagt hat er tatsächlich „Abstimmung“.

    • @reblek:

      Stimmt, aber das war ganz offensichtlich ein Versprecher und natürlich hat er "Abstammung" gemeint.

    • @reblek:

      "Abstimmung" wäre durch aus delikat - wenn er es so gemeint hätte.

  • LAMMERET, jetzt blosss keinen Fehler machen, sonst ist es aus mit dem

  • Mit Lammert als Bundeskanzler wären uns viele Fettnäpfchen erspart geblieben.

  • Ja, ich glaube auch, daß spätestens die Zeit für Kompromisse und Rücksichtnahmen auf die Türkei abgelaufen ist.

     

    Nun muß unbedingt Tacheles geredet werden - und natürlich von Angela Merkel, die ja schließlich für die Richtlinien der Politik verantwortlich ist. Wenn sie jetzt nicht aufsteht und Erdogan in seine Schranken verweist, dann hat sie für alle Zeiten ihre Reputation verloren.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Peter A. Weber:

      Sie will auch dieses Problem aussitzen.

       

      Für klare Kante ist sie zu feige, weil sie die persönlichn Risiken scheut.

  • Liebe TAZ, ich denke ihre Liebeserklärung führt ins Leere , da sie Deutsche diplomatische Sprache als Maßstab anlegt. Ich glaube zunehmend dass Erdogan anders besprochen werden muss mit Vokabeln die in der türkischen Presse und der Bevölkerung verstanden werden.

    Herrero, Völkermord ja, Armenien , - Türkei Bündnis deutsches Reich, gemeinsam, Völkermord, Diktator, Maul hatten sonst schicken wir per Gesetz 5 Mio Pauschaltouristen nach Ankara und Frau Vollmer wird Türkei Kontaktperson und so weiter ....