Kolumne Liebeserklärung: Zu Hamburg sagt man Tschüss
Das Inlandeis in der Antarktis schmilzt. Damit ist der Abschied von Norddeutschland, von Friesen, Holsteinern und Mecklenburgern besiegelt.
T ja, liebe Norddeutsche Tiefebene, es war schön mit dir. Deinen Wiesen und Moore waren Heimstatt für all die Schweiger, die anderswo auffällig gewesen wären, die Friesen, Holsteiner, Mecklenburger; und für die Pfeffersäcke der Hansestädte, die ein wenig italienischen Stadtstaatenglanz zu uns brachten, als wir noch nicht mit dem Opel über die Alpen konnten.
Leider wirst du zu großen Teilen untergehen, wegen des Klimawandels und des damit verbundenen Meeresanstiegs. Das hast du schon öfters gehört? Und außer ein paar Zentimetern Pegelanstieg und panischen Holländern, die ihre Häuser schon auf Stelzen bauen, ist nix passiert? Stimmt. Das zieht sich noch ein wenig mit dem Meeresanschwellen. Weil die See noch größer ist als du, und weil der Klimawandel Jahrzehnte dauert.
Aber: Ausgerechnet dein eigenes Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut hat jetzt in der Fachzeitschrift Science festgestellt: Auch das Südeis der Antarktischen Halbinsel schmilzt. Bis zu vier Meter pro Jahr. Das ist weit weg, am Südpol. Aber die Antarktis galt als letztes Bollwerk. Ihre Eismassen, hieß es, seien stabil. Grönland, die Hochgebirgsgletscher überall und die Arktis tauen ja eh schon immer schneller zusammen.
20 Zentimeter ist der Meeresspiegel im vergangenen Jahrhundert gestiegen. In den letzten 20 Jahren allerdings schon doppelt so schnell wie vorher. Wenn sich das nun noch mal beschleunigt, wirst du, Norddeutschland, ganz schön schrumpfen. Die Westantarktis allein bringt schon drei Meter Anstieg, schätzen Forscher.
Nimm es nicht persönlich, aber wir müssen unseren Lesern leider empfehlen, ihre Ferienhäuschen an den Küsten zu verkaufen. Und zwar rein bis zu den Mecklenburger Hügeln. Und schon mal Land erwerben, wo es später schön wird: auf den netten neuen Inseln zwischen Hamburg und Hannover.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“