Kolumne Leipziger Vielerlei: Fuck you, 2017!
Durch die erste Woche im neuen Jahr mit zahlreichen Verlusten: abgetrennte Finger, weniger Asylbewerber und noch weniger Anstand.
L eipzig hat also die erste Woche im Jahr 2017 hinter sich, und irgendwie ist auf den ersten Metern des neuen Jahres schon reichlich verloren gegangen. An Silvester natürlich bei dem ein oder anderen die guten Vorsätze, das Lieblingsfeuerzeug, die Würde – oder eben zwei Finger. Gefunden hat die Polizei die noch in der Nacht zu Neujahr im Citytunnel. Sogar Spiegel Online und der Stern berichteten ganz aufgeregt von dem ominösen Fund. Zum Glück war der Besitzer bereits in eine Klinik eingeliefert worden, die Finger konnten also flugs zugeordnet und ihrem wenig umsichtigen Herrn überbracht werden.
Außerdem verliert Leipzig und Sachsen insgesamt seine Asylbewerber*innen, was bei einigen im Freistaat für eine ziemlich depressive Katerstimmung gesorgt haben dürfte. Wohin dann mit all der Freizeit im neuen Jahr, wenn man nicht einmal mehr ein paar unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durchs Dorf jagen oder Asylbewerberheime angreifen kann? Zum Glück bleibt ja immer noch die Hetze im Netz. Doch auch dabei hat ein Leipziger jetzt was verloren. Seinen Anstand, klar, das hatten wir schon. Aber eben auch 1.980 Euro.
Gepostet hatte er zwei Collagen, von denen eine das Eingangsportal des ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald zeigt, betitelt mit „Wir nehmen alle Flüchtlinge!!! Ihr Team vom Krisenflüchtlings-Zentrallager Weimar-Ettersberg“. Das ist fast so einfallsreich wie die Sächsische Zeitung, die am Silvesterwochenende eine bunt gemischte Grafik abgedruckt hatte: Da tobt eine Horde blutrünstiger Islamisten, die Polizisten und Schwule jagen und das Brandenburger Tor attackieren. Rassistisch findet das der Chefredakteur nicht, schließlich würde man ja selbst oft genug als „Lügenpresse“ bezeichnet. Da braucht es wohl schon zu Beginn eines ganz neuen Jahres eine uralte Weisheit: Nur, weil Kritik von rechts kommt, rückt man nicht automatisch weiter nach links. Daran ändert sich auch 2017 nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen