Kolumne Leipziger Familie und Gedöns: Neuer Wein in alten Schläuchen
Ehe für alle, alles gut? Bislang wurden 16 Paare in Leipzig vor dem Altar getraut. Trotzdem ist es wie die klassische Ehe ein Bund der Ungleichheit.
D er Jahreswechsel naht, da neigt frau zum Blick zurück. Was ist die größte emanzipatorische Leistung des Jahres? Neben der #MeToo-Debatte sicherlich die „Ehe für alle“.
Während über #MeToo und seine Folgen kontrovers diskutiert wurde, schienen bei der Ausweitung der Ehe auf Mann-Mann- und Frau-Frau-Beziehungen alle einig: Endlich, seufzten unisono Feuilletonisten und Parteimitglieder, erkennt Vater Staat die gesellschaftliche Realität an.
In Leipzig traten am 6. Oktober als Erste ein Mann und seine Transfrau vor den Altar. Ihnen folgten bisher 15 weitere Paare. Sie alle dürfen sich nun ganz offiziell Ehepartner nennen und haben das Recht, Kinder zu adoptieren.
Damit steht der Traum von der bürgerlich-romantischen Familie nun allen offen. Als Feministin muss man das gut finden. Oder?
Nein. Die Ehe ist ein Verbund, der auf der vermeintlich „natürlichen“ Ungleichheit zwischen Männern und Frauen basiert. Historisch betrachtet diente sie der Kirche als Kontrollinstrument über die Sexualität. Kinder sollten nur innerhalb dieses Rahmens zur Welt kommen. Den Ehepartnern wurden dabei unterschiedliche Bereiche zugewiesen – den Frauen das Heim und die Familie, den Männern der öffentliche Raum.
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Dieser Grundgedanke scheint überholt und wirkt doch bis heute fort: Das Ehegattensplitting belohnt eine möglichst ungleiche Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen. Auch im Jahr 2017 arbeiteten die meisten Frauen in Teilzeit und leisteten nebenher das Gros der Haus- und Familienarbeit. Und die unter dem Hashtag #MeToo geschilderten Erlebnisse zeigen: In den Machtpositionen im öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Raum sitzen nach wie vor Männer.
Die Ehe für alle bedeutet, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen. Es wird Zeit für neue Formen der gleichberechtigten Partnerschaft – und zwar für alle!
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