Kolumne Kriegsreporterin: „Puff, bäng, boom!“
Im Medienbordell setzt sich die Flatrate-Mentalität durch. Und die „Welt“ hat endlich die Zahl an Konsumenten, die man sich gewünscht hat.
H allo, taz-Medienredaktion!
Na, Du Puffgänger! Ist Dir auch so heiß? Nö? Weil Du drauf eingestellt bist, dass es im Sommer warm wird? Ach so. Schade. Anders die Leute, die in der ARD Angst-und-Panikredaktion „Brennpunkt“ sitzen. Das ist die Sendung, die um 20.15 Uhr gezeigt wird, wenn die Welt mal wieder nicht so will, wie die ARD-Leute sich denken, dass sie soll.
Also, wenn Vulkane Lava spucken oder es im Winter schneit. Oder eben auch, wenn es heiß wird im Sommer. Dachte ich bislang, „BRENNpunkt“, das macht man, wenn es brennt – wenn im übertragenen Sinne was Überraschendes und Unvorhergesehenes passiert, weiß ich seit letzter Woche, dass dem nicht so ist.
Da wird tagelang vor einem unvorhersehbaren Ereignis die Sendung konzipiert. So die vom Sonntag zum Hitzerekord. Der fand nicht statt, aber egal. Theoretisch war es ja heiß. Deswegen, Medienredaktion, Du Puffgänger, kannst Du Dir schon mal den 7. Dezember vormerken, da gibt es einen Brennpunkt zum Thema Schnee und am 11. Januar 2014 einen zur Explosion bei BASF in Ludwigshafen.
Sollte es unvorhergesehenerweise nur einmal „puff“ und doch nicht „puff, bäng, boom!“ machen, nicht wundern, wo der „Brennpunkt“ bleibt, die ARD nennt ihn dann „Sondersendung“, auch wenn der ARD-Chef Volker Herres einen Tag zuvor noch per Twitter für den „Brennpunkt“ geworben hat.
Silke Burmester berichtet jeden Mittwoch von der Medienfront
Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de
Puffgänger! Puffgänger!
Auch im Medienbordell setzt sich die Flatrate-Mentalität immer mehr durch. Einmal zahlen, alles plattmachen. Allerdings, Rosinenpicken ist nicht drin, wer Hörzu und Bild der Frau will, muss auch Funk Uhr nehmen, kann dafür aber mit den MitarbeiterInnen auf lange Sicht machen, was er will. So stellte sich auf den ersten Blick der Verkauf großer Teile von Axel Springers Blätterangebot an die Funke-Gruppe dar.
Ich gebe zu, auch ich war naiv. Habe zwar die Aussparung der Bild und der Welt als Konzentration auf das Eigentliche, auf die Kernkompetenzen „Menschenverachtung“ und „Konservativismus“ ausgemacht, aber die Strategie dahinter – und die große Klugheit Döpfners – nicht gesehen. Die Welt mit ihrer konservativen bis reaktionären Weltanschauung war Axel Springers Herzstück. Leider will die kaum jemand lesen. Entsprechend defizitär läuft das Blatt seit Jahrzehnten.
Teil des Deals mit der Funke-Gruppe ist, dass viele Regionalzeitungen, die Funke herausgibt, ihre Inhalte von der Welt bekommen sollen. Einer Zeitung, die außer ein paar Restopas keiner wollte. Man kann also sagen, 28 Jahre nach dem Tod von Axel Springer bekommt die Welt endlich die Zahl an Konsumenten, die man sich gewünscht hat. Wollte keiner das Zeug lesen, muss man es nun tun, will man seine Infos etwa aus der Thüringer Allgemeinen oder der WAZ beziehen. Chapeau vor diesem Schachzug, Herr Döpfner! Es ist der Sieg des Defizitären.
Und jetzt der Puffgänger: Kurt Krömer hat Ärger mit Spiegel-Autor Matthias Matussek, denn als solchen hat Krömer ihn in seiner Sendung bezeichnet. Matussek versucht nun, die Ausstrahlung zu verhindern. Am meisten überrascht mich, dass die für die Sendung recherchieren. Das hätte ich nicht gedacht.
Zum Schluss etwas Trauriges: Ein Freund hat sich letzte Woche umgebracht, der ehemalige Radiokollege Rainer Tautenhahn. Er hat zuletzt Töne in Bildern festgehalten. „Sonicpicture“ hat er seine Arbeiten genannt. Ich bin mir sicher, damit hätte sich noch sehr viel Geld machen lassen. Aber so ist es eben. Nicht immer lässt sich das, was man als Berufung empfindet, durch etwas ersetzen, mit dem sich Geld machen lässt. Traurig zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid