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Kolumne KonservativSpiel’s noch einmal, Sozi

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Bei den Koalitionsverhandlungen zeigt sich: Es gibt noch eine konservative Partei. Die SPD. Sie fügt sich deprimiert ins selbst gemachte Schicksal.

Wird schon schiefgehen: SPD-Kanzlerkandidaten 1966 und 2013. Bild: reuters

E s gibt noch eine konservative Volkspartei in Deutschland. Eine Partei, deren Mentalität sich seit fünf Jahrzehnten kaum verändert hat. Eine Heimat für Menschen, die sich nach Traditionen und Beständigkeit sehnen. Ein Refugium für wahre Konservative. Man muss sie einfach mögen, diese SPD.

„Politischer Wagemut, das zeigte sich in den letzten Wochen, ist nicht die hervorstechendste Eigenschaft der Sozialdemokraten.“ So urteilte der Hauptstadt-Korrespondent der Zeit, Rolf Zundel, anlässlich der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Also: denen im Jahr 1966.

Zundel beschrieb damals den Weg zur ersten „Großen Koalition“. Seine Einschätzungen klingen beruhigend bekannt: „Das Verhaltensmuster für die Politiker in der Bundesrepublik lässt sich in vier Worten kennzeichnen: Sicherheit um jeden Preis.“ Kommt mir irgendwie bekannt vor.

Und vor meinem inneren Auge sehe ich einen wissend in sich hinein lächelnden Sigmar Gabriel, wenn Zeit-Mann Zundel schreibt: „Wer auf die letzten Wochen zurückblickt, gewinnt den Eindruck, als ob die Entwicklung trotz vieler verwirrender Zwischenspiele mit merkwürdiger und fataler Zwangsläufigkeit dieser Lösung zutrieb, die zu Anfang nur wenige gewollt hatten und am Ende die meisten für unausweichlich hielten.“

2013 ähnelt 1966

Die Szenerien der Koalitionsverhandlungen gleichen sich: Halb zog die Union die SPD, halb sank sie hin. Einen eigenen Willen scheinen Sozialdemokraten nie gehabt zu haben. Sie fügen sich deprimiert ins selbst gemachte Schicksal. Ist das nicht tröstlich?

Denn Berechenbarkeit und Gleichförmigkeit gewähren Erholung in einer chaotisch anmutenden Welt. Die SPD weiß das. Rituale sind wichtiger als Inhalte, das hat sie von der katholischen Kirche gelernt. Die Partei hat in 150 Jahren ihre eigene Liturgie entwickelt. Zundel beschreibt sie so:

„Die Sozialdemokraten standen vor einer deprimierenden Alternative. In der Opposition konnten sie nicht bleiben, wenn sie nicht alle ihre bisherigen Beteuerungen […] Lügen strafen wollten. Hätten sie in der Opposition verharrt – die Wähler hätten es als Flucht vor der Verantwortung empfunden.“ Ihr Credo damals wie heute: Wie man’s macht, macht man’s falsch. Wie beruhigend.

Sozialdemokraten sind gern depressiv. Deshalb müssen wir uns die SPDler, die Zundel beschreibt, als glückliche Menschen vorstellen: „Die meisten plagten und quälten sich redlich, bis sie schließlich glaubten, was ihnen die Führung einhämmerte: Es gebe gar keine Alternative, sondern nur die Notwendigkeit, zusammen mit der CDU zu regieren.“ Amen.

Gestörte CDU

Auch die Union wusste schon damals, was eine richtige Persönlichkeitsstörung ist. Ein anonymer CDUler sagte dem Zeit-Mann 1966: „Es wird künftig schwierig werden, den Leuten klarzumachen, was eigentlich die Union von den Sozialdemokraten noch unterscheidet.“

Zwei Jahrzehnte später hatte Zundel genug vom depressiven Strukturkonservatismus der Politik. Mit 60 Jahren wurde er Psychotherapeut.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
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5 Kommentare

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  • TR
    Trügen rittin

    Merkel sollte die Gespäche abbrechen. Man hat das gefühl, hier wackelt der Schwanz mit dem Hund. Neuwahlen, dann ist eine absolute Mehrheit zu erwarten. Diese Quertreiberei der SPD bei Exoten-Themen ist schwer erträglich. Bei neuwahlen landen die bei ca 20% bestenfalls

  • RS
    Reinhold Schramm

    Die SPD ist die Partei der deutschen Monopolbourgeoisie.

     

    Die SPD-Spezialdemokraten des herrschenden Finanz- und Monopolkapitals, wie so oft in ihrer Geschichte, des ungebrochenen Verrats, wie auch mit dem Hartz-IV-Strafvollzug (für vormals wertschöpfende Werktätige), mit ihrer AGenda 2010 und ihrer Armuts-Rente mit 67 ( alles bei steigender Produktivität und steigenden Profiten und Dividenden), haben die deutschen "Sozialpartner", der herrschenden Finanz- und Monopolbourgeoisie, sogar den 'Club Der Unternehmer', die CDU, gesellschaftspolitisch und sozialpolitisch, stets noch uneingestanden, rechts überholt!

  • I
    IgnazWrobel

    Es gibt noch eine konservative Splitterpartei in Deutschland. Eine Partei, deren Inhalte und politischen Einstellungen sich seit zwei Jahrzehnten kaum verändert haben. Eine Heimat für Menschen, die sich nach Traditionen und Beständigkeit sehnen. Ein Refugium für wahre Konservative. Man muss sie einfach mögen, diese Linke.

    Nennen Sie das Alternative?

  • B
    Bastler4711

    "Bei den Koalitionsverhandlungen zeigt sich: Es gibt noch eine konservative Partei. Die SPD."

     

    hat aber lange gedauert, bis das bei den Parallelweltlern angekommen ist!

  • L
    lowandorder

    Sprechen Sie bitte betont und langsam:

    " Guten Morgen - Herr Matthias Lohre."

     

    Ja - Jugend schützt vor Torheit nicht!

     

    Und

     

    ich hoffe, Sie haben eine Bartwickelmaschine im Keller!

    - fein!

     

    ------/////----

     

    " …Mit 60 Jahren wurde er Psychotherapeut."

     

    Rolf Zundel - der Zeitpunkt ist gut gewählt;

    lassen wir dazu deshalb einen anderen, immer Lesenswerten in memoriam zu Wort kommen:

     

    "…Auf die "Planstelle" Rolf Zundel - so etwas gibt es bei der "Zeit", seit Helmut Schmidt dort eingezogen ist - wird ab März ein anderer rücken. Aber Zundel behält vorläufig noch einen Platz im Bonner Büro, vielleicht bleibt der Therapeut der Politik und dem Journalismus doch noch erhalten - als Reporter.

    Dann würden seine Leser wohl noch häufiger in den Genuß jenes aufklärerischen Zorns geraten, mit dem Zundel nach der peinlichen Trauerfeier für Uwe Barschel das heuchlerische Getue und Gejammer in der Union und in der Öffentlichkeit geißelt: "Was soll diese Wehleidigkeit? Politik spielt sich nicht in einem Raume ab, zu dem wir keinen Zutritt haben. Und die Politiker gehören auch nicht einer anderen Gesellschaft an, die fern vom Volk nach eigenen Gesetzen lebt. Uwe Barschel war, auch wenn wir das nicht gerne wahrhaben, einer von uns."

     

    "Abgeglitten"? "Abgetaucht"? "Ausgeflippt"? Wer wohl?. "

     

    So Jürgen Leinemann:

     

    Alte Männer, die nicht loslassen können

     

    Der Spiegel 51/1987