piwik no script img

Kolumne Jungswelten, MädchenweltenWolfsburg sehen und leiden

Deniz Yücel
Kolumne
von Deniz Yücel

Brasilien gegen Norwegen im trostlosen Wolfsburg: Ö. will WM-Stimmung, aber nicht selber dafür sorgen.

N ö, sagt Ö. In dieser Kneipe namens "Bierbrunnen" möchte sie nicht Platz nehmen.

Dabei hatte sie auf der Fahrt erzählt, dass sie neben dem Spiel auch "die Stimmung" miterleben möchte. Nun, nach einem Plausch im Bahnhof mit einem auffällig hübschen Bundespolizisten um die dreißig ("Wir erwarten hier keine Ausschreitungen") und einer auffällig aufgekratzten freiwilligen Helferin um die vierzig ("für Wolfsburg ist die WM eine ganz große Sache"), stehen wir am menschenleeren Bahnhofsvorplatz.

Es muss der hässlichste aller hässlichen Bahnhofsvorplätze der Welt sein: ein Betonklotz mit Cinemaxx (Hauptprogramm: "Werner - Eiskalt"), einige wie überdimensionierte Baucontainer wirkende Gebäude, ein Parkplatz, Brachland. Und im Hintergrund Fabriktürme mit dem VW-Logo. Wolfsburg, so viel ist uns bereits klar, ist ein Ort, an dem man nicht sein möchte und den es besser nie gegeben hätte.

Ü. ist Redakteur im WM-Team der taz.

Zur trostlosen Szenerie passt das Wetter: nass, kalt, grau. Es sieht nicht nur aus, es fühlt sich auch an wie November. "Wolfsburg von seiner schönsten Seite", nölt Ö. den offiziellen WM-Werbespruch zitierend.

Ein paar Schritte weiter hören wir Gesänge. "Stimmung, Samba!", strahlt Ö. Es ist tatsächlich Stimmung - aber so, wie sie deutscher und miefiger nicht sein könnte. Im "Bierbrunnen" sitzt eine Gruppe Männer um die fünfzig, eher VW-Facharbeiter als Stützebezieher, alle im Deutschland-Deppen-Outfit (Perücken, Girlanden, Schminke), im überdachten und mit Schwarz-Rot-Gold verzierten Kneipengarten.

Aus den Boxen dröhnt ein deutscher Schlager, die Männer singen mit. Oder singen sie etwas anderes? Genau zu erkennen ist das nicht. Daneben jedenfalls sitzt eine Brasilianerin gleichen Alters und fotografiert lächelnd den Nachbartisch. "Deutsche Fans beim Feiern", wird sie vielleicht später erzählen und das vielleicht nicht einmal böse meinen.

Eingewickelt ist sie in eine brasilianische Fahne. "Ordem e Progresso", "Ordnung und Fortschritt" steht darauf. "Das ist so, als würde auf der deutschen Fahne ,Party und Rhythmus'" stehen, bemerkt Ö. spitzfindig. Aber sich dazusetzen will sie nicht: "So hart bin ich nicht."

Wir gehen weiter, durch eine Fußgängerzone, die noch öder wirkt als jede andere deutsche Fußgängerzone an einem verregneten Sonntag. "Das ist ja sogar schlimmer als Bielefeld", meint Ö. fachmännisch.

Dann die Wolfsburger "Fanmeile": Ein Bierzelt mit Bühne, auf der der Moderator eines Lokalradios eine Handvoll junger Handballerinnen mit Fragen malträtiert, die sich anhören, als hätte sie sich der Bürgermeister persönlich ausgedacht: "Wer ist WM-Botschafter von Wolfsburg?" Die Mädchen sind zwar jung, aber nicht so jung, dass sie sich bei diesen Fragen und der Clownsschminke im Gesicht, die man ihnen aufgetragen hat, nicht blöd vorkommen würden.

Danach kommt eine örtliche Capoeira-Gruppe. Ein Brasilianer Ende zwanzig lässt seine Schützlinge ein paar Übungen vorführen. Etwas Vorzeigbares ist es nicht, aber man bekommt ein Ahnung von Capoeira, dieser brasilianischen Mischung aus Tanz und Kampfsport. Dem Publikum gefällts. Eltern bei der Aufführung eines Schülertheaters, könnte man wohlwollend sagen. Provinziell ist es trotzdem.

Denn Rest des Programms verpassen wir, weil wir mit einem Ehepaar ins Plaudern kommen. Es sind die Eltern der norwegischen Abwehrchefin Maren Mjelde. Und sie sind nett, so nett, dass wir es fast verpassen, rechtzeitig ins Stadion aufzubrechen.

"Das sieht ja aus wie ein Einkaufszentrum", sagt Ö., als wir die Glasfassade der neuen VW-Arena erblicken, und es nicht klar, ob sie das entzückt oder abschreckt. Aber recht hat sie.

Dann geht es endlich los, und Wolfsburg ist vergessen. Als ich meine Lieblingsbrasilianerin, Fabiana, die vor unserer Nase zusammen mit Marta die rechte Seite bearbeitet, lautstark anfeuere, schaut Ö. etwas pikiert. Selbst als Marta, erklärtermaßen Ö.s Favoritin, den Ball erst mit einem Rempler erobert, dann aber eine andere Gegnerin - ausgerechnet Mjelde! - umdribbelt und das 1:0 erzielt, lässt sich Ö. zu keinem orgiastischen Jubel hinreißen. "Viva Marta!", ruft sie in Zimmerlautstärke. Ö. gehört also zu den Frauen, die "Stimmung" mögen, es aber anderen überlassen, für diese zu sorgen. Andererseits: Nach so viel Stimmung ist ihre Blasiertheit wohltuend.

Ö. in Wolfsburg: Marta sehen und schmelzen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • R
    Rammbock

    blabla@brutale Flasche äh, Dose natürlich ....

     

    na na, wer wird sich denn so ganz vergessen? da muss mutti wohl (schon wieder!) ran und deine pups-windel wechseln, wa? naja, danach geht's dann sicher besser, ich habe ein nachsehen, bist ja noch so klein... aber wenn du dann immernoch so übel rummuckst, gibts den versprochenen linken haken, du, du knallharte schnullerbacke du!

  • BJ
    Bruno ( Jetzt Problem Bär)

    Hallo mein ES;EK, ich habe ein tolle Mitteilung für dich meine Deniz, am 18 Juli besuche ich den Teil meiner Mütterlichen Verwandschaft in Berlin, und weißt du auch wo die so wohnen tuen in Berlin?

     

    HA,HA,HA, du Frauenverachter und Emigrantenblocker, gar nicht so weit entfernt von dir!

     

    Und mir wäre es ganz, ganz arg recht, wenn du diese Mitteilung, an dich per Kommentar, nicht auf diese miese Kolumneseite stellen tust.

     

    Deshalb habe ich mir, auch diese, etwas ruhigere Seite herrausgepickt.

     

    Das brauchst nur du zu wissen, und ich habe dann auch Geschenke für dich dabei :-D

     

    Meinen 2 Meter und 127 Kg. Dildo, extra für meine Deniz ;-)

     

    Also genieß es dann, wenn;s so weit gekommen ist.

     

    Ich freue mich auf dich :-) Du :o(

     

    Ich hole dich ich kriege dich du kannst mir nicht entkommen;-) HA,HA,HA,.....

     

    Jetzt werde ich bald einen und somit meinen richtigen Spass mit dir haben.

     

    Du hast es dir auch echt verdient mit mir,............;-)

     

    Da werden mir bestimmt einige Dankbar dafür sein :-)

  • VD
    Vulva@Brutale Dose

    @Lammbock, du mit dem Riß in der Birne, DU scheinst nicht zu kapieren, oder willst du mit mir etwa nur flanieren?

     

    Bin Morgen auf jedenfall irgendwo in Kreuzberg, mit einer Schwarzen Rose zwischen meinen Zähnen, für dich, dann tragen wir unseren Zwist mal so eben auf der Körperlichen Verwarnungs Ebene aus,

     

    noch was mein Schlacht-Lamm, rechtsausleger bedeuset noch eine Härtere Linke als deine zu führen und auch zu haben, ZU MEINER EH SCHON HARTEN RECHTEN FÜHRUNGSHAND versteht sich !

     

    Also mal sehen wer von un(s)d beiden, dann hier in Zukunft ins Lätzchen sabbert und mehrere Monate aus einer Schnabeltasse schlürft!

     

    Möge der BESSERE Gewinnen :) :)

  • R
    Rammbock

    @Vulva@blabla

     

    sach ma, du willst das nich lernen, oder? hast schon wieder gegen den wind gekotzt! vielleicht hilft (mal wieder) mutti und häkelt dir ein lätzchen?

  • VD
    Vulva@Praktische Dose

    @ Rammbock, bist du nun links oder Rechtausleger, nicht falsch verstehen, du weißt doch schon wie ich das meine oder? So wegen dem linken Haken und so, ich bin Rechtausleger und ich schlage einen ordentlichen Rechten Haken.

     

    Und tolle Aussage übrigens mit dem UNS zwischen deinem deinem hören UN(D)S sehen ;-)

     

    Austreten bitte, und Uriniere dich nicht allzu sehr voll, Voll auf die Zwölf, du Speichellecker!

     

    dann Boxe dich schon einmal warm ich schicke dir dann meinen Kittel!

     

    Also, sei Vorsichtig und tu hier nicht so wichtig!

  • R
    Rammbock

    @Vulva / Praktische Dose

     

    mach dich vom acker und heul dich bei mutti aus. ansonsten verpass ich dir ne linke, dass dir hören uns sehen vergeht.

     

    zur kolumne: ist das hier der ich-wasch-mich-rein-report für ausgestiegene sexisten? lahmarschig. wie die unterirdische brüller-wm-muschi-kolumne.

    abtreten bitte!

  • Y
    Yücel-Nicht-Mehr-Versteher

    Yücel mal ganz anders. Sieht sogar auf dem Foto anders aus. Aber welche ist der echte? (Persönlich gefällt mit ja der Trikottausch-Yücel besser, ist derber.)

  • VP
    Vulva / Praktische Dose

    Wir wollen _uschis sehn, wir wollen _uschis sehn, wir wollen _uschis, _uschis, sehn ! Wir wollen Vuvas sehn wie wollen Vulvas shn wir wollen Vulvas, Vulvas sehn !

    wir wollen Lippen sehn, wie wollen lippen sehn, wir wollen Lippen,Lippen sehn ! Wir wollen _itzler sehn, wir wollen-itzler sehn, wir wollen _itler,_itzeler sehn! Uns Kann nur einer verstehn, uns kann nur einer verstehn, uns kann nur einer, einer, verstehn !!!!

     

    Daz ist der Yüsel bei der Taz ! Yüüüüsssseeeelllll, you are the best, Yüsel for ever !!!!

  • TS
    Thea Schäfer

    da haben die TAZ Redakteurinnen wohl noch Kopfweh von der letzten durchzechten Nacht gehabt? Gut gelungen euer Wolfsburg Verriss. Ich wohne in dieser Stadt und arbeite nicht bei VW. Ich liebe diese Stadt mittlerweile. Sozial, Kinder- und Familienfreundlich, riesige Grünflächen und Wälder, Weltoffen und 130 Nationalitäten die ohne große Integrationsprobleme zusammen leben, so erlebt man Wolfsburg wenn man hier lebt. Früher wollten die meissten Leute hier schnell weg, heute ziehen viele her. Veranstaltungen, Kunst, Kultur und Szene haben sich entwickelt. Wolfsburg macht Spaß! Aber natürlich kriegt man nichts davon mit wenn man verkatert an einem regnerischen Tag über eine Sportart berichten muss die man eigentlich nicht mag. Im Stadion war die Presse eine echte Spaßbremse, die Laola hatte Schwierigkeiten die Pressetribüne zu überspringen - nächstes Mal macht ihr gefälligst mit!