Kolumne Ich meld' mich: Dichterreise durchs Naziland
Die Nazis luden zur Imagekampagne, 14 Schriftsteller aus Europa folgten. Reisebücher darüber finden sich noch heute in Bibliotheken.
I m Oktober 1941, kurz nachdem die Nazis Jugoslawien überfallen hatten und in der Sowjetunion immer weiter vorrückten, lud das Deutsche Reich Schriftsteller aus mehreren europäischen Ländern ein, „um sie mit der vielgestaltigen deutschen Landschaft vertraut zu machen“.
Es ist das, was man eine eine Charmeoffensive nennt. Svend Fleuron und Ejnar Howalt aus Dänemark, Kåre Bjørgen aus Norwegen, Marcel Jouhandeau aus Frankreich und zehn weitere Schreiberinnen und Schreiber reisen an.
Begleitet werden sie von einer deutschen Delegation, die ihr PR-Handwerk versteht: „Die politische Ideologie des Nationalsozialismus wurde den Gästen während des gesamten Reiseverlaufs nirgends aufgedrängt, obgleich ihnen bei verschiedenen Reiseabschnitten offen Gelegenheit geboten war, seine Erfolge und seine Erscheinungsformen zu beobachten.“
Einer der Eingeladenen, Arvi Kivimaa aus Finnland, verfasst ein ganzes Buch über seine Eindrücke: „Europäische Dichterreise durch Deutschland“. Es steht in der Eutiner Landesbibliothek, die mehr als 17.000 Bände Reiseliteratur umfasst.
In Weimar treffen sie auf deutsche Dichterlein wie Moritz Jahn oder Friedrich Schnack und nehmen aus den Gesprächen mit, „dass der Nationalsozialismus für Deutschland ein gewaltiges nationales Erwachen bedeutet“.
Den Schwarzwald erleben sie als eine „Waldballade“, als „wortloses Zwiegespräch zwischen Tal und Höhe“. Und auch die Städtchen sind eine wahre Augenweide: „An den Mauervorsprüngen hängen rotblühende Kressen, und auf den gewundenen, hügeligen Straßen bieten Mädchen in Volkstrachten frischgepflückte Weintrauben an.“
Nicht nur die Ideologen haben ganze Arbeit geleistet. Auch die Touristiker haben das Ihre getan, die Pressereise zu einem Erfolg zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin