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Kolumne Hosen runterU can touch this

Ich kenne Frauen, die ihre eigene Vulva seltener gesehen haben als ihren Steuerberater. Eine Website sorgt für Aufklärung in Sachen Orgasmus.

Wegschauen hilft doch auch nicht. Nur wer zulangt wird das Geheimnis lüften. Foto: dpa

G estern Nacht habe ich die Vulven von sieben Frauen gestreichelt. Fünf von ihnen kamen zum Orgasmus, zwei nicht. Woher ich das weiß? Sidney sagte irgendwann: „Lass uns eine Pause machen.“ Und Olivia wollte es lieber wann anders noch mal versuchen.

Das ist schade für die beiden, liegt aber natürlich nicht an mir, sondern an der Technik. Die ganzen Achter, Kreise und Tippser kann ich mit gebrochener Hand im Schlaf, allerdings fühlt sich so ein Touchpad an, wie die gebotoxte Stirn von Nicole Kidman aussieht. Zu kalt. Zu glatt. Zu eindimensional.

Ich kenne Zoey, Amber, Sonya und die anderen Frauen nicht persönlich. Die Videos, in denen sie erklären, wie sie untenrum angefasst werden wollen, dafür umso besser. Sie stehen auf einer Website namens omgyes.com (in Worten: „Oh my God, yes!“), und genau darum geht es: um die Lust der Frau. Oder besser: der Frauen.

Das erklärte Ziel der GründerInnen Lydia Daniller und Rob Perkins ist es, den Schleier zu lüften, der abseits von Pornos (halbe Minute von hinten, Frau kommt, Mann kommt, Nahaufnahme) und Sex in Hollywoodfilmen (halbe Minute von hinten, Frau kommt, Mann kommt, Schnitt) in der öffentlichen Wahrnehmung bisher alles jungfräulich einchiffonierte. Emma Watson, Schauspielerin und UN-Sonderbotschafterin für Frauen- und Mädchenrechte, erwähnte die Seite vor einer Woche bereits lobend bei einer Podiumsdiskussion.

29 Euro für den Zugang lohnen sich

Gemeinsam mit Sexualforschern vom Kinsey-Institut an der Indiana University befragten Daniller und Perkins 2.000 Frauen von 18 bis 95 nach ihren Vorlieben beim Sex – mit anderen und sich selbst. Und sind damit die ersten, die ganz konkret erforschen, welche Berührungen Frauen gefallen und sie zum Orgasmus bringen.

Außerdem fanden sie Freiwillige wie Zoey, Amber und Sonya, die nicht nur erklären, was ihnen gefällt, sondern es auch zeigen. Nackt. In Nahaufnahme. Schon deshalb lohnt sich der Besuch: als Anatomiekurs. (Ich kenne Frauen, die ihre eigene Vulva seltener gesehen haben als ihren Steuerberater.)

Da sind schwarze, weiße und rosafarbene Vulven, alte und junge, behaarte, rasierte und stoppelige; da sind Schamlippen, bei denen die linke ein bisschen vorwitziger ist als die rechte, und Klitorisvorhäute in allen Größen und Formen. Und alle sind schön. Es ist ein Fest!

In der ersten Staffel („OMGYES“ ist quasi das neue „Girls“, was ja schon das neue „SATC“ war) geht es um die Berührung der Schamlippen und der Klitoris. Längst überfällig, und fürs Private so wichtig wie eine Lösung der Flüchtlingskrise für die Politik. Der Bonus: Das Gelernte kann im Anschluss direkt interaktiv getestet werden. Per Touchscreen.

An einem Nachbau der jeweiligen Vulva, inklusive Kommentaren wie „Das gefällt mir!“– „Weiter links“ oder ... na ja, siehe oben. Was irgendwie einen Beigeschmack der Klum’schen „Competition“ hat, und wenn irgendwas abtörnt, dann ja wohl das.

Die 29 Euro für den Zugang lohnen sich trotzdem. Bestellen Sie stattdessen doch einfach Netflix ab. Wenn die neue Inhalte auf der Seite haben, sind das eh nur alte Hollywoodfilme.

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taz am wochenende
Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).
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3 Kommentare

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  • mir fallen spontan 2-3 Seiten ein, wo ich dafür keine 29,-€ bezahlen muss. Mir und der Holden hat's als Inspiration mehr als einmal gereicht ;)

  • Aha. Statistiken ersetzen also jetzt das Auf-einander-Eingehen. Man kennt "Zoey, Amber, Sonya und die anderen", also kennt man auch die eigene Freundin. Sehr praktisch, das. Es minimiert das Risiko des Scheiterns. Man braucht nicht mehr zu experimentieren, zu beobachten, zu reden mit der Person, die mit einem das Bett teilt, den Teppich oder den Fahrstuhl. Das Internet spricht Sofort-Garantien aus für den, der sie freiwillig auswendig lernt, die "ganzen Achter, Kreise und Tippser", die Franziska Seyboldt angeblich "mit gebrochener Hand" und "im Schlaf" kann. (Wozu eigentlich?) Ziemlich sicher wird demnächst der erste User das Portal verklagen, wenn der gewünschte Erfolg ("Oh my God, yes!") ausbleibt.

     

    Der "Witz" an „Pornos [...] und Sex in Hollywoodfilmen (halbe Minute etc.)" ist bisher gewesen, dass anschließend noch Zeit war für den oder die reale PartnerIn. Man hat sich sozusagen Appetit geholt, bevor man versucht hat, in der eigenen Küche besser zu kochen. Das ist nun offensichtlich anders. Aber wenn Emma Watson, Schauspielerin und UN-Sonderbotschafterin für Frauen- und Mädchenrechte, "die Seite vor einer Woche bereits lobend bei einer Podiumsdiskussion [erwähnt]" hat, dann ist sie selbstverständlich ein Must-have.

     

    Immerhin: Wer bisher nicht geahnt hat, dass Vulven "schwarz[], weiß[] und rosafarben[]", sein können, "alt[] und jung[], behaart[], rasiert[] und stoppelige[]", asymmetrisch gebaut und auch sonst individuell – und dabei auch noch schön, der kann es nun im Netz erfahren. Vielleicht sollte man die Seite also in den Schulunterricht einbauen. Als Pflichttermin für 12-Järige. Allerdings – an deutschen Schulen wird ja bisher nicht einmal die "Flüchtlingskrise" abgehandelt. Und die führt immerhin dazu, dass Turnen ausfällt mancherorts.

    • @mowgli:

      Sowohl ANO NYM als auch MOWGLI haben, so denke ich, den Kern der Sache nicht verstanden. Es gibt einen kleinen Teil der Bevölkerung, der sich der weiblichen Sexualität offen gegenüberstellt und diese Akzeptiert. Und es gibt einen größeren Teil, der die weibliche Sexualität geradezu ablehnt, sich nicht mit ihr AUS DER WEIBLICHEN PERSPEKTIVE gesehen auseinandersetzt, wobei die w. S. sogar als etwas schamhaftes angesehen und propagiert wird. Wenn wir dies auch noch Global betrachten, dann hoffe ich, dass sich dieses Problem Euch erschließt. Ich finde es traurig, dass gerade Ihr beiden Männer nicht verstehen könnt, wie wichtig so eine Plattform ist. Nur von sich aus zu gehen finde ich sehr engstirnig. Schade das so eine tolle Idee durch überhebliche undifferenziertheit leichtfertig diffarmiert wird. Kein Geld bezahlen zu wollen ist eine Sache, aber ein so wichtiges Projekt welches sich noch ausbaut, nicht zu unterstützen, ja sogar verunglimpfen zu wollen, ist mehr als Geizig, vorallem dann, wenn es einmalig wenig Geld kostet und man dann für immer Zugang bekommt. Ich glaube ich muss hier nicht noch ausholen über die Bedeutung der sexuellen Aufklärung und Selbstbestimmtheit der Frau weltweit. Das kriegt Ihr hoffentlich auch mit den nötigen Hilfestellungen meinerseits selber hin ;)