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Kolumne HabseligkeitenDie Fächer meiner Urgroßmutter

Kolumne
von Natalie Tenberg

Mit jeder neuen Generation ändern sich auch die Accessoires. Ich werde einmal eine elegante alte Dame sein – ohne Arschgeweih, aber dafür im Plastikregencape.

D en Niedergang meiner Familie sieht man allein an den Accessoires, die wir Frauen uns zulegen, um den Elementen zu trotzen. Meine Urgroßmutter aus Indien pflegte der Legende nach mit einer Kutsche in die Stadt zu fahren, ausgestattet mit einem Fächer aus langen, langen Pfauenfedern. Ich möchte, bevor es nun Protest hagelt, klarstellen, dass ich gegen die Verwendung von Pfauenfedern für solche Zwecke bin. Dennoch muss man sagen, dass der Fächer meiner Urgroßmutter wahrscheinlich zu ihrer Zeit als besonders elegant galt.

Meine Oma, die auch eine feine Dame war, ließ sich mit dem Auto in die Stadt fahren. Solange sie lebte, ging sie kaum aus dem Haus, ohne sich gehörig eingepudert zu haben. In ihrer Hand hielt sie außerdem entweder einen steifen Fächer mit Griff oder eines dieser schönen Modelle, die man mit deutlich genervter Attitüde öffnen und schließen kann. Was für eine Gestik! Meine Mutter geht, wenn es warm wird, ungern aus dem Haus und stellt die Klimaanlage ihres Autos irre hoch. Ich fahre mit der U-Bahn und wedel in der Hoffnung auf einen kühlenden Luftzug mit Discounterwerbung herum. Wohin, frage ich mich, soll das noch führen? Werden meine Töchter später mit Baseballkappen durch die Gegend laufen, in deren Schirm ein kleiner Ventilator integriert ist? Kennen Sie die überhaupt? Ich glaube, sie wurden in Florida erfunden und sind momentan noch das Rentnerpendant zur Baseballkappe mit Bierdosenhalter.

Ich meine "momentan", weil Rentner ja immer fideler werden und sogar so Dinge wie Flusskreuzfahrten machen. Das ist natürlich für alle außer dem mitreisenden Schiffsarzt saulangweilig, also gibt es Landgänge, auf denen die Reisenden Gefahr laufen, zu dehydrieren und umzukippen. Deswegen ist die Kappe eigentlich super.

Bild: privat

NATALIE TENBERG ist Redakteurin im taz-Ressort "Gesellschaft, Kultur, Medien".

Den Niedergang unserer Familie sieht man nicht nur im Sonnenschein, sondern auch bei schlechtem Wetter. Meine Urgroßmutter ging nämlich, wieder der Legende nach, bei Regen gar nicht vor die Tür. Meine Großmutter saß während des Monsuns die ganze Zeit zu Hause und spielte Canasta. Meine Mutter benutzt einen Regenschirm und ich habe mir neulich sogar eins dieser Papstbesuch-Regencapes aus Plastik gekauft. Die kennen Sie doch auch: Bei Großveranstaltungen im Freien werfen die armen Würdenträger, die keine andere Wahl haben, als in der Plörre zu sitzen, diese über, damit der Anzug nicht ruiniert wird. Ich gehe einer geregelten Arbeit nach, die ab und an von mir Anwesenheit erfordert, die wiederum erfordert, dass ich meine Kinder bei Wind und Wetter in der Tagesstätte abgeben, das Cape hilft dabei.

Wenn es gut mit mir läuft, dann werde ich aller Wahrscheinlichkeit nach in vierzig oder fünfzig Jahren mit einer Baseballkappe mit Getränkehalter an Deck eines Schiffes stehen. Der Plastikumhang schützt mich vor dem Regen, der auf die Donau niedergeht. Meine Enkel inhalieren Eisspray, das bis dahin die Zigarette ersetzt hat, und erzählen ihren Freunden, ihre Oma sei eine feine Dame, weil sie sich niemals einen Tunnelohrring oder ein Arschgeweih habe stechen lassen.

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