piwik no script img

Kolumne Gott und die WeltEin Minimum an Distanz

Kolumne
von Micha Brumlik

Aus einer „Studienstelle Israel“ soll eine Professur werden. Dann passiert – nichts. Die Universität Mainz verspielt ihren guten Ruf.

Auf „Soziologie der Ethnizität und Migration mit dem Schwerpunkt ­­Israel/Naher Osten“ dürfen sie weiter warten: StudentInnen in Mainz Foto: dpa

M an muss kein Freund der verbrecherisch dummen Siedlungspolitik israelischer Regierungen sein, um einen jetzt bekannt werdenden Vorgang an der Universität Mainz befremdlich zu finden. An dieser Bildungsinstitution sollte anlässlich von fünfzig Jahren deutsch-israelischer Beziehungen eine schon seit Längerem bestehende „Studienstelle Israel“ in eine ordentliche Professur umgewandelt werden.

Die Studienstelle war bei den Politikwissenschaften angesiedelt und wurde bis zu dessen Pensionierung von dem bestens ausgewiesenen Oberstudienrat Alfred Wittstock geführt. Die neue Professur wurde ans Institut für Soziologie verlegt; sie sollte der „Soziologie der Ethnizität und Migration mit dem Schwerpunkt ­­Israel/Naher Osten“ gewidmet sein. Im Juli wurde die Stelle öffentlich ausgeschrieben:

„Die Professur forscht und lehrt im Bereich der Ethnizitäts- und Migrationssoziologie mit dem regionalen Schwer­punkt der Gegenwartsgesellschaften Israels und seiner Nachbarn. Von den Bewerberinnen und Bewerbern wer­den neben profunden theoretischen und methodischen Kompetenzen empirische Kenntnisse der kulturellen Viel­falt, der politischen Konflikte und der Migrationsbewegungen in dieser Region erwartet. Erwünscht ist zudem ein Forschungsinteresse an den jüngeren Zuwanderungen aus dem Nahen Osten nach Europa.“

Es ging also nicht, wie manche wünschten, um „Israelkunde“, sondern um Forschung zu einem Krisengebiet, das aus historischen und aktuellen Gründen die deutsche Öffentlichkeit noch auf Jahre hinaus beschäftigen wird. Eine Berufungskommission wurde konstituiert, qualifizierte ForscherInnen bewarben sich, es fanden Anhörungen statt. Doch dann wurde das Verfahren, wie der Autor dieser Zeilen schon vor Wochen am Rande erfuhr, sang- und klanglos eingestellt. Gegen jeden guten akademischen Brauch und wider alle Regeln der Höflichkeit wurden die BewerberInnen davon bis Montag nicht informiert.

Zu diesem brüskierenden Vorgang wollten nach Auskunft der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung weder die Landesregierung noch die Universität selbst Stellung nehmen. Die Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, mehr oder minder „antideutsch“ eingestellt, behauptete jedoch in rufschädigender Weise, dass sich dort Personen beworben hätten, „die selbst zu Israel keinen fachlichen Bezug haben […], sondern Israel lediglich als Beispiel benutzen wollen“. Eine Aussage, die angesichts der Liste der eingeladenen Bewerberinnen schlicht und ergreifend unwahr, also eine Lüge ist.

Wie steht man so zu BDS?

In der Berufungskommission wiederum wirkte Günter Meyer mit. Der Geografie-Professor hatte sich vor einigen Jahren geweigert, einen israelischen Kollegen zu einer Konferenz einzuladen, weil dieser am College Ariel im besetzten Westjordanland lehrt. Meyer macht die USA für den syrischen Bürgerkrieg verantwortlich. Er fiel während der Anhörungen dadurch auf, dass er Vortragende nach ihrer Haltung zu BDS, also zur Boykottbewegung gegen Israel befragte.

Das ist keine zentrale Frage für das Themenfeld „Soziologie der Ethnizität und Migration mit dem Schwerpunkt Israel/Naher Osten“ und beweist, dass es hierzulande schwer zu sein scheint, eine möglichst distanzierte, wissenschaftliche Haltung zu diesem Thema einzunehmen. Es sollte auch bei politisch stark vorbelasteten Themen ein Minimum an Distanz eingehalten werden.

Die Anhörung für BewerberInnen fand an einem Samstag statt, womit orthodoxe jüdische BewerberInnen von vornherein ausgeschlossen waren – ein klarer, verfassungswidriger Fall religiöser Diskriminierung.

Bei allem Respekt vor dem grundgesetzlich verankerten Prinzip der Wissenschaftsfreiheit fragt sich daher, warum die alles in allem ordentlich arbeitende Landesregierung von Malu Dreyer, einer Hoffnungsträgerin der SPD, diesen Vorgängen einfach zuschaut. Immerhin wird die Universität Mainz aus den Steuergeldern der rheinland-pfälzischen Bürgerinnen bezahlt; immerhin ist es in einer Zeit, in der sich sogar die AfD ideologisch über Israel auseinandersetzt, dringend geboten, das Land und die es umgebende Region wissenschaftlich, das heißt „faktisch“, also nüchtern zu erforschen, um so der Öffentlichkeit eine angemessene Urteilsfindung zu ermöglichen.

Mit akademischen Intrigen verspielt die Universität Mainz ihren guten Ruf, das Land Rheinland-Pfalz sein mühsam wiedergewonnenes Ansehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Ich wusste bisher gar nicht, dass die Universität Mainz überhaupt einen Ruf hat.

  • Wirklich heftig finde ich: "Doch dann wurde das Verfahren, wie der Autor dieser Zeilen schon vor Wochen am Rande erfuhr, sang- und klanglos eingestellt."

     

    Selbst wenn sich herausgestellt hätte, dass wirklich keiner der Bewerber qualifiziert gewesen wäre (wie unwahrscheinlich das auch immer sein mag), hätte das doch zu geregelter Informationspolitik und einer Neuausschreibung der Stelle führen sollen.

     

    Und die Interviews auf einen Samstag zu legen - ein Schelm, war Arges dabei denkt.