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Kolumne German AngstKnarz. Kranker Volkskörper. Knarz.

Sonja Vogel
Kolumne
von Sonja Vogel

Je weiter man sich von der deutschen Sprache entfernt, umso hässlicher rattern ihre Ketten. Wobei es ja meist weniger an der Sprache selbst liegt.

Dylan Moran schrieb einst über die deutsche Sprache: „Wie eine Schreibmaschine, die Alufolie frisst.“ Foto: dpa

ber „Die Schrecken der deutschen Sprache“ schrieb Mark Twain bereits im 19. Jahrhundert. In seinem Buch widmete er sich den Tücken wie Absurditäten der Grammatik, aber auch dem Problem sich der deutschen Sprache in einer zivilen, ja freundlichen Art zu bedienen. Ohne ihrer Brutalität anheimzufallen. Ohne sich Worten des Typs „Waffenstillstandsunterhandlungen“ zu ergeben.

„Wo man auch immer eine deutsche Zeitung aufschlägt, kann man sie majestätisch über die Seite marschieren sehen – und wer die nötige Phantasie besitzt, sieht auch die Fahnen und hört die Musik“, schrieb Twain. „Sie geben selbst dem sanftesten Thema etwas Schauer erregend Martialisches.“

Je weiter man sich von der deutschen Sprache entfernt, umso hässlicher rattern ihre Ketten. Wobei es ja meist weniger an der Sprache selbst liegt, als an jenen, die sich ihrer hässlichsten Seiten bedienen. Zwischen all den internationalen Zeitungen fällt mir auch eine deutsche in die Hände. Ich blättere einmal von der Politik bis ins Feuilleton. Wer kommt zu Wort? Seehofer, de Maizière, Botho Strauß. Schon setzt er ein: Deutschland-Tinnitus.

Auf der Müllhalde der Geschichte

Bayerns Ministerpräsident wird zum Wortkünstler, wenn es darum geht, Flüchtlinge abzuwehren. In immer neuen kakophonen Sprachvarianten tritt er das Grundrecht auf Asyl in die Tonne. Dafür hat er die Worte „Staatsnotstand“ und „wirksame Notwehr“ irgendwo auf der Müllhalde der Geschichte ausgegraben. Notwehr? Klingt in der Politik nach Willkür und großer Schweinerei, wie Deutsch für 1. September 1939. De Maizière und Co. Stimmen ein. Knarz. Innere Sicherheit. Knarz. Massenhafte Zuwanderung. Knarz. Bundespolizei. Knarz. Einschleusung von Ausländern. Knarz. Invasion. Knarz.

Knarz.

Knarz.

Was für eine hässlich gesprungene Platte.

Apropos Notstand. „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, hatte schon Carl Schmitt gesagt. Auch so einer, der ganz souverän über sein ausgenommen hässliches Vokabular gebot. Heute greift man wieder gern auf ihn zurück. Er passt zum Sound der Berliner Republik, die vor einem Ansturm an Nichtdeutschen erzittert.

Buchstabenreihen als Zinnsoldaten

Das heißt, eigentlich ist es Botho Strauß, der erzittert. Und damit bin ich beim Feuilleton angekommen. „Ich möchte lieber in einem aussterbenden Volk leben als in einem, das aus vorwiegend ökonomisch-demografischen Spekulationen mit fremden Völkern aufgemischt, verjüngt wird, einem vitalen“, schrieb der alte Mann. Eine ganze Armada unansehnlicher Worte ließ er mit letzter Kraft im Spiegel übers Papier marschieren. Buchstabenreihen als Zinnsoldaten, die die Ängste der Aussterbenden vor sich herträgt.

Knarz. Kranker Volkskörper. Knarz. Aussterbendes Volk. Knarz. Flutung. Knarz. Auslöschung. Knarz.

So klingen also Deutschlands große Dichter. Jene, die mit Worten ihr Geld verdienen. Kein Wunder also, dass es hier auch die Feuerwehrleute sind, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden.

Dylan Moran, ein irischer Komödiant, schrieb einst über die deutsche Sprache: „Wie eine Schreibmaschine, die Alufolie frisst und die Kellertreppe hinuntergetreten wird.“ Und so sollte man es auch mit dem letzten Deutschen halten. Es würde ein letztes Mal scheppern. Dann wäre wunderbare Ruhe.

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Sonja Vogel
tazzwei-Redakteurin
Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.
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6 Kommentare

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  • Gute Idee im Deutschkurs: Alufolie so als Bild, wie es klingen soll.

  • An der deutschen Sprache liegt es mit Sicherheit nicht! Sie ist unschuldig und voller kreativer Möglichkeiten sich auszudrücken. Nationalismus ist nicht mein Ding, aber die deutsche Sprache muß ich verteidigen, weil sie über einen ungeheuren Wortschatz verfügt, den die meisten Deutschen nicht im Ansatz beherrschen.

     

    Der Schrecken einer Sprache - nicht nur der deutschen - liegt in ihrem Mißbrauch und auch im Unvermögen, sie auszuschöpfen, begründet.

     

    Zum einen sind es die Prolls, die Quasi-Analphabeten, die die Sprache vergewaltigen oder ihre Essenz verfälschen, die als Schuldige ausgemacht werden müssen. Zum anderen sind es die Populisten, die Demagogen und die Volksverhetzer, die die Sprache für ihre eigennützigen und destruktiven Zwecke mißbrauchen. Wenn der "Karlheinz" dazu nichts Anderes als "Jo" zu vermelden hat, dann spricht dies für oder gegen ihn.

     

    Jedenfalls sollten wir die Sprache nicht als Ausrede für fehlendes solidarisches Engagement strapazieren, sondern wir sollten sie als wirksame Waffe gegen Unsolidarität, Gleichgültigkeit und materialistisches, egoistisches Denken verwenden.

    • @Peter A. Weber:

      prolls?

      watt'n dat fürne sprache?

    • @Peter A. Weber:

      Schrecken einer Sprache. Knarz. Quasi-Analphabeten. Knarz. Essenz. Knarz. Vergewaltigen. Knarz. Mißbrauchen. Knarz

       

      ;)

      • @Dorothea Pauli:

        Na ja. Aua halt. Wer Sprache liebt, der kann es schlecht ertragen, wenn sie vergewaltigt wird. Ob nun von "Prolls" oder von Journalisten, ist dabei nicht so wichtig. Sie sehen alle aus, als ob sie Arschloch hießen.

         

        Sagen Sie bitte, verehrte Dorothea Pauli, verehrte Christine Rölke-Sommer: Wen oder was lieben Sie? Und wie würden Sie jemanden nennen, der sich an ihrer Liebe brutalstmöglich vergreift? ;)

         

        Übrigens: Wenn Mark Twain bereits im 19. Jahrhundert ein "Problem" damit hatte, "sich der deutschen Sprache in einer zivilen, ja freundlichen Art zu bedienen[, o]hne ihrer Brutalität anheimzufallen", dann kann das durchaus daran liegen, dass seine eigene Muttersprache Englisch war. (Amerikanisches Englisch, übrigens. Eine Sprache, die nicht weniger "knarzen" kann als Deutsch, wenn man sie nur gehörig dehnt und biegt.) Dem unwilligen Schüler präsentiert sich der Lehrstoff ja bekanntermaßen manchmal etwas sperrig.

         

        Wie Sonja Vogel schon ganz richtig anmerkte: "Je weiter man sich von der deutschen Sprache entfernt, umso hässlicher rattern ihre Ketten." Wobei es vermutlich nicht nur die Sprache ist, von der man sich entfernen muss, damit man's rattern oder knarzen hört. Vor allem sind es wohl die Menschen, die sie sprechen.

  • Jo!