Kolumne Generation Camper: Gassigehen jetzt auch mit Zertifikat
Die neuen Wanderwege in Deutschland glänzen mit Qualitätszertifikaten. Selbst für Wege nur zum Spazierengehen gibt es Gütesiegel.
D ie Ziele waren hochgesteckt, der Auftakt war gewaltig. Mit spektakulären Toptrails, mit Premiumwanderwegen, mit Gold- und Rheinsteigen, Traufgängen und Extratouren machte Ende letzten Jahrhunderts eine neue Wanderbewegung mobil. Das Ergebnis: Eine erstklassige Runderneuerung des deutschen Wandereldorados.
Das deutsche Wanderinstitut hatte akribisch Wanderbedürfnisse untersucht und ging die neuen Wege geradezu wissenschaftlich an. Und der Klassiker und Dachverband aller Vereine, der Deutsche Wanderverband, startete eine „Qualitätsoffensive“ in Wege und in die touristische Infrastruktur.
Nicht, dass es das alte Wanderwegenetz der traditionellen Wandervögel nicht mehr gegeben hätte, aber die neuen Trails glänzten jetzt mit Zertifikaten. Und sie wurden promotet. Vor allem von Fremdenverkehrsämtern. Eine Aufwertung des Wanderns ohnegleichen. Und schon kommt die Sache in die Jahre. Alles scheint entdeckt, die Restnatur erschöpfend markiert.
Erschöpft sind offensichtlich auch die Wanderprofis. Denn jetzt wollen sie spazieren gehen. Kein Witz: Es gibt neuerdings zertifizierte Spazierwege! Gütesiegel für den kurzen Gang ins Freie. Wogegen nichts zu sagen ist.
Erlebnisdichte und Themensetzung
Im Gegenteil. Denn wenn etwas zu kurz gekommen ist bei der Leistungsshow der letzten Jahre, dann dieses absichtslose Flanieren. Dieses nutzlose Spazierengehen. Dieses schlichte Guck-in-die Luft. Aber zu viel Entschleunigung sollte man nicht erwarten. Auch qualitätsgeprüfte Spazierwege müssen eine bestimmte Erlebnisdichte und Themensetzung aufweisen, sie müssen sich den unterschiedlichen Zielgruppen anschmiegen und für touristische Zwecke vermarktbar sein. Sie müssen vorzeigbar sein.
Die erstaunlichste Neuerung: Gassi gehen. Das Marburger Wanderinstitut des „Wanderpapstes“ und Hundefreundes Rainer Brämer plant jetzt zertifizierte Qualitätswege für Hundebesitzer. Zwecks „Konfliktvermeidung mit anderen Nutzern“. Das könnte richtig klasse werden – wenn sich die Hundebesitzer daran halten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!