Kolumne Gefühlte Temperatur: Zwischen Erdnüssen und Gewehren
Bevor JournalistInnen in die Hallen des Klimagipfels in Paris dürfen, müssen sie erst an den Kontrollen vorbei. Da sieht man allerhand.
I m Folgenden lesen Sie Schnee von vorgestern, aber das macht nichts, denn der Text wird zumindest zeitweise lustig. Gestern hat sich tout le monde politique ein Stelldichein- und Fotografiermich-Rendezvous auf dem Messegelände in Le Bourget gegeben. Am Sonntagabend hieß es als Journalistin erst mal einchecken und sich akkreditieren beim Gipfel, kurz COP, wie er hier nur heißt.
Fahrt dazu in die eher prekäre nördliche Pariser Vorstadt per Metrolinie Nummer 7. In Fort d’Aubervilliers wartet schräg gegenüber dem Café Casanova und vor einem dramatischen Sonnenuntergang die Gratis-Navette, der Shuttlebus, nach Le Bourget.
Hinter einer leicht zu umgehenden Absperrung erwerbe ich von einem vermummten Männchen warme Erdnüsse aus einem Einkaufswagen, dann fühle ich mich auch schon umsorgt und sicher, denn mindestens fünf Bedienstete der Pariser Verkehrsbetriebe, die von einem herumstehenden Capo beaufsichtigt werden, weisen mir den Weg zum Bus.
Bananen und Sturmgewehre
In zehn Minuten zuckelt es sich vorbei an Nagelstudios und der Bar L’Avenir (Zukunft), vorbei an riesigen LCD-Reklamen, die Bananen das Kilo zu 1,19 Euro preisen, hin zum Eisentor des Gipfels, das unserer Navette von Sturmgewehr-Gendarmerie geöffnet wird. Direkt vor dem Tor darf einfach ein Taxi umständlich ausladen – interessant.
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Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
„Le Bourget welcomes you!“ steht auf einem großen Schild, als wir aussteigen – nichts wie hinein also in die hoffentlich umweltfreundlich extra für den Gipfel renovierten Hallen. Dort muss wie beim Fliegen Mitgebrachtes durch die Durchleuchtungsmaschinen, bedient von UN-Security-Personal in staatstragenden Uniformen. Mehr als Handgepäck ist laut Infozettel nicht erlaubt – wie die beiden Griechen hinter mir mit zwei riesigen Topfpflanzen einchecken dürfen, bleibt mir schleierhaft, aber es geht.
Mein Durchleuchter heißt Charly, spricht Ami-Slang und ich darf Cola mit zum COP nehmen. „Please drink this“, meint er, „then your drink is ok.“ Also nippe ich wie eine Vorkosterin an meiner Cola. Da ich nicht sofort tot umfalle, darf ich mich bei der Italienerin Alexandra akkreditieren. Bin drin!
Der Wind pfeift auf der Champs Élysées, einem ungemütlichen Durchgang, von dem es zu den einzelnen Hallen abgeht. Hoffentlich überstehen die wie traurige Bierzelte wirkenden Gebäude den Gipfel. Links und rechts der Champs Elysées halten sich riesige Tiere der Arche Noah aus Plastik (!) auf – eine Kunstinstallation, die sich Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal gewünscht hat. Richtig traurig wird es am Ende der Meile. Dort steht ein flackernder Mini-Eiffelturm aus Bistrostühlen. Die sind blutrot.
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