Kolumne G-nervt: Der Kanzlerin den Rücken stärken
Für die deutsche Linke ist die Welt durch Trump wieder einfacher geworden. Dass man dabei andere vernachlässigt, ist eine intellektuelle Bankrotterklärung.
A uftakt des Spektakels rund um die Konferenz der Regierungschefs. Aufgerufen hatte das gute Gewissen der Nation, repräsentiert durch einen Haufen NGOs, die nach dem Prinzip Ablassbrief funktionieren: Greenpeace, Oxfam, Campact und Co appellierten an die Staatschefs, doch bitte endlich ihre Politik ein bisschen zu ändern. „Macht verdammt noch mal euren Job“, bettelte etwa ein Redner vom BUND.
Um die Gebieter damit nicht allzu sehr zu brüskieren, waren die Organisatoren so freundlich, ihre Protestwelle abzuhalten, als noch keiner der Konferenzteilnehmer in der Stadt war.
Das linksdeutsche Bürgertum schlenderte in Funktionsjacken durch Hamburg und wurde dabei von Schlauchbooten und schepperndem Deutschpop begleitet. Bunt, kreativ und zahnlos ging es da zu. Die stinklangweilige Demo sei ein „starkes Signal an diejenigen Gipfel-Teilnehmer, die das zu Hause nie zulassen würden“ twitterte Grünen-Chef Cem Özdemir und legte damit den Feigenblatt-Charakter des Events offen.
Im Zentrum der Kritik stand vor allem ein Konferenzteilnehmer: Donald Trump. Unzählige Schilder, Plakate und Banner zielten auf den amerikanischen Präsidenten, wandelten seine Slogans ab oder setzten ihm allen Ernstes Satanshörner auf die Stirn.
Dass man sich auf Trump einschießt, aber wenig zu China, Russland und Saudi-Arabien zu sagen hat, ist eine intellektuelle Bankrotterklärung. Es stimmt, dass Trumps internationale Politik wenig Gutes verspricht. Doch das trifft ebenso auf den Rest der G20-Staaten zu. Auch als Trump noch nicht Präsident war, wurde bei jedem derartigen Gipfeltreffen irgendwas zum Klimawandel und zu Afrika beschlossen – und nicht umgesetzt.
Merkel als Weltgewissen
Für die deutsche Linke ist die Welt durch Trump wieder etwas einfacher geworden. Endlich wieder kann sie den ewigen Erzfeind verdammen. Kritik an Angela Merkel ist indes rar gesät. Die neoliberale Politik in Europa und das Massensterben im Mittelmeer sind höchstens Randbemerkungen.
Durch den Fokus auf Trump stärkt das, was sich Zivilgesellschaft nennt, ihrer Kanzlerin den Rücken. Merkel wird sich bei der Konferenz als Weltgewissen präsentieren. Da kommt es ihr gelegen, wenn jemand anderes als Top-Bad-Boy identifiziert wird.
Dass Kritik an der Klimapolitik mit Trump und dem Pariser Abkommen verknüpft wird, ermöglicht Merkel, mit Rückenwind von der Straße Klimakanzlerin zu spielen – Kohle hin oder her. Die Vorfeldorganisationen des Marsches durch die Institutionen verschmelzen, ob sie das wollen oder nicht, in einer moralischen Einheit mit der Kanzlerin.
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