Kolumne G-nervt: Protokolle der Weisen von Hamburg
Eine ganze Reihe bekannter „israelkritischer“ Gruppen steht hinter dem Internationalistischen Block. Sie werden ihren Teil zur Mobilisierung beitragen.
Von Kopf bis Fuß in Adidas gekleidet, das Gesicht verdeckt von einem Palästinensertuch, in der Hand ein Stein: So sieht er aus, der Protest gegen G 20. Zumindest beim Internationalistischen Block, der sich an vielen Aktionen gegen das Gipfeltreffen beteiligt. Auf einem seiner blutroten Plakate prangt ein derart stilisierter Aktivist, darunter wird Solidarität mit dem „liberation struggle“ in Palästina ausgedrückt. Es ist die Ästhetik der Intifada, des gewaltvollen Aufstands gegen beliebige Israelis.
Was hat Israel mit G20 zu tun? Keine Ahnung. Israel nimmt nicht an der Konferenz teil, der Nahe Osten steht nicht auf der Tagesordnung. Vielleicht findet man eine Erklärung bei dem Workshop „Gegen Kapital und Krieg – Intifada bis zum Sieg“, den der Internationalistische Block bei einem Camp gegen G20 plant. Wenn das Abschlachten von Israelis zum Sieg über Krieg und Kapital führen soll, dann scheinen die „Internationalisten“ zu glauben, die Israelis stecken hinter beidem. Man kennt das: Die Juden, Pardon, die Zionisten, lenken die Geschicke der Welt. Vielleicht müssen sie deshalb ja auch gar nicht erst an der G20-Konferenz teilnehmen.
Eine ganze Reihe einschlägig bekannter „israelkritischer“ Gruppen, wie etwa das zum umfassenden Israelboykott aufrufende BDS-Movement, steht hinter dem Internationalistischen Block. Sie werden ihren Teil zur Mobilisierung beitragen. Schon allein deshalb ist von den anderen Gruppen, die gegen den Gipfel mobilmachen, keine Distanzierung zu erwarten. Sie wollen ja möglichst viele Menschen auf die Straße bewegen.
Einige große Gruppen wie die Interventionistische Linke, „…ums Ganze!“ und die Radikale Linke Berlin haben ein Papier vorgelegt, in dem sie die Einheit des Protestes beschwören.
Nur die Spitze des Eisbergs
Man will sich nicht spalten lassen. Darin heißt es auch: „Wir werden Verantwortliche und Profiteure dieses Systems markieren.“ Angesicht der Umtriebe ihrer Genossen wagt man sich kaum zu fragen: mit einem gelben Stern?
Der Internationalistische Block ist nur die Spitze des Eisbergs. In fast jeder Erklärung von Gipfelgegnern findet man die Ammenmärchen von den Verantwortlichen für den Kapitalismus. So auch etwa bei Jean Ziegler, für den die G-20-Teilnehmer schlicht „Befehlsempfänger von global agierenden Großunternehmen und Finanzoligarchen“ sind. Als ob die kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht eine zutiefst vermittelte wäre, in der der einzelne Manager genauso funktionieren muss und genauso wenig zählt wie die einzelne Lohnabhängige.
Einfache Antworten mit konkreten Schuldigen können nicht nur den Kapitalismus nicht begreifen, sie sind auch anschlussfähig an Antisemitismus. Aber das kümmert die Gipfelstürmer nicht, wenn sie in der Gemeinschaft der breiten Bündnisse aufgehen, um „denen da oben“ die Party zu vermiesen.
Leser*innenkommentare
My Sharona
Die Prominenz Israels und der palästinensischen Frage leitet sich eben nicht aus einer dunklen, antisemitischen Faszination ab, sondern eben aus der Tatsache, dass Israel/Palästina ein Symbol ist, auf dass sich viel projizieren lässt: Die einen prügeln auf die Israelis ein, weil sie Neokolonialismus und die USA treffen wollen, die anderen knöpfen sich die Palästinenser vor, weil sie ihre entfremdete, spätkapitalistische Existenz nicht ohne (Groß)Vatermord an den 68er überstehen und gleichzeitig ihr (nicht formulierbares) Unbehagen über ein Deutschland mit ihrer Meinung nach zu vielen muslimischen Einwanderern ausdrücken wollen (Bald israelische Zustände! Das Ende der Sicherheit!). Und da das Spiel schon sehr lange so läuft, gibt es sehr viele Menschen, die sich in ihrer politischen Subjektwerdung an der Thematik Israel/Palästina abgearbeitet haben. Weil schon so viel dazu gesagt wurde, wird immer noch mehr dazu gesagt. Das ist in Dafur oder bei anderen Besatzungsregimen oder Irredentismen oder ethnonationalistischen Bewegungen eben nicht der Fall. Es geht um die Funktionsweise politischer Öffentlichkeit und nur in sehr geringem Maße um Antisemitismus. Aber wie gesagt: bleiben Sie doch schön zu Hause!
My Sharona
Lieber Herr Nabert, muss ja ne Riesenerleichterung sein, den Arsch nicht mehr hochkriegen zu müssen und sich damit auch noch moralisch überlegen fühlen zu dürfen. Intifada-Look? Albern Sie haben recht! Superbösewichte, die die globalen Strippen ziehen? Da haben Sie schon nur noch halb recht, denn obschon das kapitalistische System ein in jeder Hinsicht sozial und kulturell vermitteltes ist, verlangen Sie doch sicher nicht, dass man die subjektiven Ansichten sich in die Tasche lügender Eliten in Politik und Wirtschaft als wichtiger bewertet als den objektiven Schaden den diese Typen anrichten, oder? Zumal: der Ziegler hat schon ein paar Kenntnisse und Erfahrungen mehr als Sie. Vielleicht sieht er ja nur klarer? Einfache Antworten führen zur Anfälligkeit für Antisemitismus? Aha? Mag ja so sein, aber nichtmal ein Hinweis von Beleg findet sich in Ihrem Kommentar.