Kolumne Frauen-WM: Ein Hauch von Freiheit
Trotz aller Verfehlungen predigt die Fifa gern über ihre Werte. Bei der Frauen-WM in Frankreich geht es zumindest etwas lockerer zu.
D ie EU ist eine Wertegemeinschaft. Auch wenn man es nicht mehr hören kann, wird es immer wieder gesagt. Über die Werte selbst wird nicht groß gesprochen. Am Ende fragt noch einer, warum es Menschen gibt, die es dann doch nicht wert sind, in den Genuss dieser Werte zu kommen, und im Mittelmeer ersaufen. Auch die Fifa ist eine Wertegemeinschaft. Vom Fußball soll man lernen, sagt der Weltverband bei jeder Gelegenheit. Ein Hashtag ziert die Werbebanden in den Stadien dieser WM: #footballeducates.
Und was lehrt der Fußball? Fairplay zum Beispiel. Da kann man vom Fußball aufs Leben schließen, hat Verbandsboss Gianni Infantino vor Beginn der WM gesagt. Die Fifa ist ja bekannt für Fairplay. Das wissen vor allem die Männer zu schätzen, die an den Baustellen für Stadien und Infrastruktur der Fußball-WM 2022 in Katar arbeiten.
Vielleicht twittern sie ja mal unter dem Hashtag #footballeducates, was sie alles gelernt haben in dem Emirat am Golf. „Leben verändern durch Fußball und Erziehung“, ist ein Video mit süßen Entwicklungsländerkinderlein überschrieben, das vor jedem Spiel in Frankreich im Stadion zu sehen ist. Die WM-Arbeiter werden das bestätigen können. Ihr Leben hat der Fußball gewiss verändert.
Gibt es sonst noch Werte bei der Fifa? Klar, Respekt, Disziplin, Teamwork. Das sind die Begriffe, die immer wieder fallen, wenn der Verband den Fußball preist. Das passt immer. Da kann der Emir genauso nicken wie Emmanuel Macron, Putin, Erdoğan, und auch Kim gefällt das. Die Fifa ist mit ihren Werten demokratie- und diktaturkompatibel. Ein Verband für die ganze Welt eben.
Ganz nach Churchill
Und dann gibt es noch einen Wert, den auch niemand schlecht finden kann: den Gesundheitsschutz. Fußball ist Sport, und Sport ist gesund. Winston Churchill lebt ja nicht mehr, und gute Besserung an dieser Stelle an Dzsenifer Marozsán!
Die Fifa kümmert sich sogar um die Gesundheit außerhalb des Platzes. So verfolgt sie eine strikte Nichtraucherstrategie. In den Stadien soll nicht geraucht werden, steht in einem Strategiepapier. Bei der WM in Russland vor einem Jahr durfte nicht mal beim Public Viewing auf dem Fanfest geraucht werden. Wer sich nicht daran hielt, wurde von Ordnern derart unwirsch angeraunzt, dass er meinen musste, den Rest seines Lebens im Gulag verbringen zu müssen.
Diesmal ist das anders. In Paris und Valenciennes sind in den Stadien Raucherzonen ausgewiesen. Ein Hauch von Freiheit wird da durch die Lungen geblasen. Manchmal ist es gar nicht so schlimm in der Fifa-Welt. Das ist mit der EU ja auch so.
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