Kolumne Flimmern und Rauschen: Da waren’s nur noch drei
Die „FAZ“ trennt sich von ihrem Herausgeber für Wirtschaft und Sport Holger Steltzner. Die Begründung bleibt wie gewohnt diffus.
D ie Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist einen Kopf kürzer, im wörtlichen Sinne: Im Kopf der „Zeitung für Deutschland“ fehlt einer. Holger Steltzner, bislang Herausgeber für Wirtschaft und Sport, ist nicht mehr. Jedenfalls Herausgeber, was bei der FAZ eine im deutschen Mediengeschäft einmalige Position darstellt: Diese sind schließlich autonome Chefredakteure für ihren Bereich und sogar mit ein paar Prozentbruchteilen Mitbesitzer des Titels, wenn auch ohne Gewinnbeteiligung.
Davon kann bei der FAZ aber ohnehin nicht mehr so dolle die Rede sein. Steltzner wird seinen Abgang vermutlich trotzdem nicht leichter verschmerzen. Drei Sätze Pressemitteilung nach rund 25 Jahren bei der FAZ (davon über 16 als Herausgeber) und darin die Kernbotschaft: „Die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern war nicht mehr gegeben.“ Das beweist vom Stil her einmal mehr die Parallelen zwischen FAZ und taz – hier beschränkt man sich beim Kegeln von ChefredakteurInnen ja auch kurz und knapp aufs rustikal Notwendigste. Letztlich ist damit ja auch alles gesagt.
Mehr Informationen gibt’s auch nicht, weshalb sich so mancher kluger Kopf jetzt seinen Teil denkt. „Das wäre mal was ganz Neues, das die @faznet den wahren Grund nennt, wenn sie einen Herausgeber feuert“, twitterte jedenfalls Hugo Müller-Vogg. Er kennt das Gefühl, schließlich musste er 2001 als FAZ-Herausgeber für den Rhein-Main-Teil und die damals nur regionale Sonntagszeitung gehen.
Der Konservative
Während Müller-Vogg als Opfer der Modernisierer um den viel zu früh verstorbenen Frank Schirrmacher (1959–2014) stilisiert wurde, ist das Bild bei Steltzner diffuser: Er soll ebenfalls einen „zu konservativen Kurs“ im Wirtschaftsteil gefahren haben, der nicht mehr zur gemäßigten Pro-Merkel-Haltung des politischen Teils gepasst habe. Doch das war a) schon seit Jahren so – schließlich ist Merkel schon ein bisschen länger Kanzlerin, und Steltzner war selbst unter Kohl ein klarer Verteidiger der D-Mark gegen den Euro. Und b) hat die FAZ solche Binnenpluralität im eigenen Blatt eigentlich nie gestört, sondern lesenswert gemacht. Auch wenn Steltzners Kommentare zum Klimawandel zuletzt grenzwertig waren („Warum rückt man Kritiker in die Nähe von Holocaust-Leugnern“, fragte er Mitte Februar.)
Medienprofi, bringt regelmäßig Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.
Bei anderen heißt es, Steltzner sei einfach zu „kantig“ geworden und in Sachen Haltung unberechenbar. Dass aber ausgerechnet in der FAZ die Chefs aus der Brigade „Nett“ kommen müssen, hatte man so auch nicht gehört. Klar ist nur: Nun muss es zum Kurswechsel kommen, für die FAZ als Gesamtkunstwerk. Sonst wird es eng für die Zeitung für Deutschland. Von daher sind die Gerüchte, nun könnte eine Nachfolgerin Stelztner beerben, eine gute Nachricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe