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Kolumne Durch die NachtFeinste Männerlyrik, abgesagt

Wladimir Putins Lieblingsband heißt Ljube und singt von Wagemut und Liebe zum Vaterland. Das Konzert in Berlin wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Wladimir Putin singt, hier die russische Nationalhymne am 3. März 2018 bei einer Wahlveranstaltung Foto: dpa

ber Wladimir Putin als Privatmann weiß man relativ wenig. Bekannt ist seine Liebe zum Kampfsport, zudem wird ihm ein Hang zum Bling-Bling nachgesagt. Und Arnold Schwarzenegger fand er mal gut, konnte ich jüngst erfahren, aber damit dürfte es nach dessen Ansage in Richtung Moskau auch vorbei sein. Immerhin ist über Putins Musikgeschmack einiges bekannt. Sein schauriger Auftritt bei einem Charity-Event vor 12 Jahren, als er auf großer Bühne “Blueberry Hill“ von Fats Domino intonierte, legt nahe, dass er erstaunlicherweise ein Faible für Rock’n’Roll aus den USA haben könnte.

Aber manche sagen ja immer, dass der Putin von heute nicht mehr der Putin von damals sei. Er blicke nun nicht mehr auch mal nach außen, sondern nur noch nach innen, auf die eigene Scholle.

Dazu passt ganz gut Ljube, die angeblich sein Lieblingsband ist. Die russische Folk-Band schätzt er immerhin genug, um sie jüngst während seiner bizarren Veranstaltung im Moskauer Luschniki-Stadion auftreten zu lassen, bei der die Russen ihren großartigen Führer nach allen Regeln der Kunst bejubeln durften. In den Liedern von Ljube geht es meist um die gute alte Zeit, das Heldentum von stolzen Kriegern und darum, dass jeder Russe und jede Russin gehörig stolz darauf sein kann, ein Russe oder eine Russin zu sein.

Ljube hätte im Mai auch in Berlin auftreten sollen. Doch das Konzert wurde nun abgesagt. Da wurde doch noch rechtzeitig erkannt, dass es keine besonders clevere Idee ist, eine Band hier auftreten zu lassen, die Putins Weltbild in schwülstig-pathetischen Popsongs abbildet. Wäre es vor dem russischen Einmarsch auch nicht gewesen, aber bekanntlich ging man da ja in Deutschland noch davon aus, dass Putin trotz seines ganzen Geredes und dem bisschen Krieg im Donbass ja eigentlich ein ganz knuffiger Typ ist.

Auf Berlin.de“, immerhin “das offizielle Hauptstadtportal“, hat man von der Absage bislang noch nichts mitbekommen

Auf “Berlin.de“, immerhin “das offizielle Hauptstadtportal“, hat man von der Absage bislang noch nichts mitbekommen. Und verspricht somit weiterhin für den Auftritt der russischen Folk-Patrioten: “Feine Männerlyrik, Geschichten aus Armeezeiten, Nostalgie nach der Jugend, echter Wagemut und ehrfürchtige Liebe zum Vaterland – in diesem Konzert wird einfach alles dabei sein, wofür wir 'Ljube’ lieben.“

Diese Worte lesen sich wie Satire, und dafür braucht es noch nicht einmal den Krieg im russischen Nachbarland. Und ich frage mich: Darf bei “Berlin.de“ eigentlich jeder schreiben, was er will?

Was zumindest das Männerbild angeht, lässt sich die Metalband Manowar mit Ljube vergleichen, deren Konzert im April nun ebenfalls abgesagt wurde. Aber aus vergleichsweise banalen Gründen, nämlich wegen der aktuellen Coronalage. Auch bei Manowar ist das ganze Leben ein einziger Kampf und Männer sind dazu geboren worden, raus auf das Schlachtfeld zu ziehen. Platten der Band haben Titel wie “Schlachthymnen“, “Krieger dieser Welt“, “Götter des Krieges“ und so weiter. Inwieweit das alles ironisch gebrochen ist: Schwer zu sagen.

Gut, dass es Corona gibt, das erspart einem die Diskussionen darüber, ob es gerade der richtige Zeitpunkt ist, die Metal-Kämpfer aus den USA ihre virilen Heldenepen vortragen zu lassen. Die Band verlegt ihr Konzert nun auf das nächste Jahr, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Wann Ljube nach Berlin kommen werden, steht dagegen noch nicht fest.

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