Kolumne Die rätselhafte Welt des Sports: Saugwürmer sind besser als Steroide
Der Spieler „Nix“ wird gesucht. Der katalanische Charismatiker Pep Guardiola hat die Spur gelegt. Und: Wie eine ekelerregende Krankheit erfolgreich macht.
S chistosomiasis müsste man haben! Was das sein soll? Man kennt es auch unter dem Namen Bilharziose – eine eklige Krankheit, ein widerlicher Parasitenbefall, der einen monatelang lahmlegt. Es beginnt beim Baden in warmen Binnengewässern: Schnecken als Trägerwirt setzen Saugwürmerlarven frei, und diese dringen durch die Haut des Menschen ein, pflanzen sich in der Leber oder Blase fort und verbreiten sich dann über die Venen im ganzen Körper. Igitt! (Nebenwirkung: Tod.)
Aber offensichtlich kann diese Krankheit Wunder bewirken. Der diesjährige Sieger der Tour de France, Christopher Froome, hatte vor drei Jahren Bilharziose. Vorher war er selber nur eine Schnecke, wurde beim Giro d'Italia disqualifiziert, weil er sich von einem Auto ziehen ließ, und gewann nichts als einige Tagesetappen bei drittklassigen Rundfahrten.
Dann war der Wurm drin in Froome, und nach anderthalb Jahren Parasitenpause war plötzlich alles gut: Vroom, vroom! Zweiter bei der Vuelta und bei der Tour, Goldmedaille bei Olympia und nun der ungefährdete Sieg bei der Tour mit Alleingängen auf Berggipfel, bei denen es aussah, als würde er mit einem Motorrad an den Konkurrenten vorbeifahren.
Und jetzt wollen ALLE Sportler Bilharziose, aber wo verdammt noch mal sind die Würmer und Saugegel, wenn man sie braucht?! Tyson Gay, Asafa Powell, Erik Zabel - sie alle klagen an. Denn sie mussten noch zu traditionellem Mumpitz wie Steroiden und Epo greifen (wenn Rudi Dutschke Teil der APO-Generation war, dann sind Zabel, Armstrong und Ulrich die Generation Epo).
Nicht mit dem Gesicht
schreibt für das Sportressort der taz.
Alain Sutter, ehemaliger Schweizer Nationalspieler, hatte 1994 während seiner Zeit beim FC Bayern tatsächlich Würmer, aber die halfen ihm nicht weiter, er magerte ab und hätte sich mit seinem Gewicht in Heidi Klums Castingshow als Model bewerben können, aber eben nicht mit seinem Gesicht. Es reichte am Ende nur für den SC Freiburg. Nicht mehr lange bis zum Bundesligastart, und bei vielen Vereinen ist nach wie vor der Wurm drin, die Scouts sind alle verzweifelt auf der Suche nach Nix.
Pep Guardiola hat sie auf die Spur geführt, als er die Bayern-Bosse vor die Alternative stellte: „Ich will Thiago oder Nix!“ Am Ende bekam der Trainer Thiago vom FC Barcelona, und nun suchen alle das andere Jahrhunderttalent (vielleicht war es auch bloß ein Übersetzungsfehler, nach dem Motto „Neymar heißt jetzt Nix“).
Guardiola ist nun gerade mal einen Monat in München, und schon hat er zwei Titel eingefahren: erst den Paulaner Cup des Südens gegen eine hochklassige Elf; eine Jury aus Topfußballexperten wie Waldi Hartmann und Paul Breitner hatte die besten 20 Spieler aus 19.000 Bewerbungen herausgefiltert, die z. B. Trompete spielen und Witze erzählen mussten, und gegen diese Übertruppe haben die Bayern doch glatt 13:0 gewonnen.
Mögliches Triple für Pep
Und dann den Telekom-Cup, den die Bayern (Trikotsponsor: Telekom) dominierten und gewannen. Am Donnerstag kann Guardiola obendrein den Audi-Cup gewinnen. Dann hätte er in gerade mal fünf Wochen das geschafft, wozu Jupp Heynckes viele Jahre gebraucht hat: das Triple! Das ist „super, super, top, top, top!“ (O-Ton Pep)!
Wenn das so weitergeht, kann der katalanische Charismatiker bald barfuß über den Starnberger See spazieren oder Lahm zum Rennen bringen. Rioja-Wein in Wasser verwandeln kann er eh schon – und Urin in Nandrolon (das war noch zu seiner aktiven Zeit als Spieler).
Wer weiß, vielleicht kann Guardiola sogar per Geisteskraft Löffel verbiegen wie einst Uri Geller oder notorische Steuerhinterzieher zum Freispruch vor Gericht führen. Pep: Si!
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