Kolumne Die eine Frage: Kann Trump etwas Gutes haben?
Trump zu verhindern, darf nicht bedeuten, seine Wählerschaft zu bekämpfen – ihre Probleme und Wünsche müssen gehört werden.
A ls der Polizeiwagen in die Cedar Street einbiegt, schmeißt der Dude vor dem Café Pergolesi eilig sein Piece in einen Busch. Jetzt findet er es nicht mehr. Ein zweiter Graukopf steht von seinem Verandaplatz auf und fängt auch an, in dem Busch rumzukramen.
„Here it is“, sagt er nach zwei Minuten Geraschel. „Thanks, man“, antwortet der Piecebesitzer. Dann rauchen sie das Zeug gemeinsam weg. Auf dem Bürgersteig. Im Garten des Cafés ist Rauchen verboten.
Dieses Surf- und Collegetown an der Westküste nahe dem Silicon Valley gilt als superentspannt, identitätspolitisch hyperliberal und superlinks. Aber die Polizei ist überall und hat das größte Gebäude der Stadt.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump braucht sich hier nicht zu bemühen. Wie ja in ganz Kalifornien nicht, weil der Staat eh an die Demokraten geht. Aber praktisch nirgendwo hängt ein Schild für Hillary im Fenster. Die entsprechenden Plätze sind immer noch besetzt mit „Bernie 2016“. Manchmal sieht man ein „Vote Democrat“.
Ein global gefährlicher Kandidat
Das kommt mir wie eine Distanzierung von der Frau vor, die man wählt. Es ist also eine ideale Wahl für ein progressiv-moralisches Milieu im permanenten Entlarvungsmodus. Hier eine erfahrene Mainstream-Kandidatin, der man Opportunismus, Geldgeilheit, Eliten-Dienerschaft vorwerfen kann. Dort ein global gefährlicher Kandidat, der neben allem anderen auch noch alle identitätspolitischen Fortschritte sabotiert. Und der eine politisch und ökonomisch abgehängte Wählerschaft mobilisiert, indem er ihre Vorurteile bedient.
Die zwei reflexhaften Reaktionen sind: alle zum bösem Establishment zu erklären – außer sich selbst. Oder einen moralischen Endkampf gegen rechts auszurufen und mit Stinkefingern zu argumentieren, wie der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Beides ist falsch.
Wenn man hier die grauhaarigen Babyboomer in ihren Prius zum unabhängigen Bookshop fahren, über den Bio-Farmers Market gehen oder auf das All-Gender-Klo im Museum rennen sieht, dann sieht man, wie seit 1968 die individuelle Freiheit vorangekommen ist, durch ein funktionierendes Einhergehen von Kapitalismus und identitätspolitischer Progressivität.
Identitätspolitische Sauereien
Aber eben nur für manche. Die Latinos in den miesen Dienstleistungsjobs pendeln aus einer grauen Domestikenstadt, die nicht an der Küste liegt. Die guten Jobs werden weniger, die Einkommensschwachen und Hippie-Dudes werden zunehmend abgedrängt.
Es geht jetzt darum, Trump zu verhindern. Aber es geht auch darum, Trump als Wake up call zu akzeptieren. Und, so schwer es auch fällt, die identitätspolitischen Sauereien als Strategie zur Mobilisierung von politisch ungebildeten Menschen einzuordnen. Also nicht diese Menschen zu bekämpfen. Sondern die Strategie, die Trump von den Republikanern übernommen und zugespitzt hat.
Wenn die identitätsprogressiven Kapitalisten, also wir, auf Trumps brutale Verrohung mit einem brutalen Moralwettbewerb antworten, dann wird das die Polarisierung vorantreiben.
Vielleicht sollten wir moralische Priusfahrer daher den Mitbürger nicht als unanständigen, weißen Trash verdammen, sondern uns ernsthaft mit dessen Problemen, Wünschen und Träumen beschäftigen. Die enthalten sicher nicht die All-Gender-Toilette, aber sie bestehen auch nicht primär darin, ethnische Minderheiten zu diskriminieren. Sondern in: anständiger Arbeit, anständiger Bezahlung, dem Gefühl von Teilhabe. Ernsthafte Minderheitenpolitik plus Politik für die weiße, abgehängte Landbevölkerung hinzukriegen, das scheint unmöglich.
Seien wir realistisch und versuchen es.
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