Kolumne Die eine Frage: Who the hell knows
Werden die USA den Klimawandel jemals ernsthaft angehen, Professor Szasz? Beim Treffen in Kalifornien malt der Soziologe eine düstere Zukunft.
I n Kelly’s French Bakery sitzt man schön draußen. Mit tollem Parkplatz-Blick. Das gilt in Kalifornien als normal. Andrew Szasz hatte mir gesagt, er sei ein grau gewordener Babyboomer, ich würde ihn dann schon erkennen. Und so ist es auch. Obwohl die Stadt, ehrlich gesagt, voller grau gewordener Hippies und Babyboomer ist.
Szasz, 65, ist Soziologie-Professor an der University of California in Santa Cruz und Experte für die Frage, warum sich Politik und Gesellschaft in den USA dem Klimawandel gegenüber so verhalten, wie sie sich verhalten. Also noch apathischer als wir. Ich habe nur eine Frage, Professor Szasz: Werden die USA den Klimawandel jemals ernsthaft angehen?
Szasz trägt Sonnenbrille, Vollbart – und sieht jetzt fast amüsiert aus. Dann sagt er sehr freundlich: „Who the hell knows?“ Wer, zum Teufel, kann das wissen? Wie sich herausstellt, ist das seine eher optimistische Variante. Obamas aktueller Klimaplan? Na ja, Obama hat bekanntlich schon einiges geplant.
Szasz spricht davon, wie eine topfinanzierte Lobby die von Al Gore initiierte Klima-Aufklärung in die Steinzeit zurückgeworfen habe. Es funktioniert. Der (republikanische) Gouverneur von Florida, zum Beispiel, „glaubt nicht“ an Klimawandel, weshalb sich für ihn das Problem nicht stellt, dass Miami Beach und Teile Südfloridas demnächst wohl dauerhaft überflutet sein werden. Wahnsinn? Ja, aber offenbar schätzen seine Bürger das mehr, als wenn er Deiche bauen würde.
Warum eine Mutter ihr Kind doch nicht in die Krippe gibt: Die Titelgeschichte "Meiner kommt nicht in die Kita" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Juli 2013. Darin außerdem: Die Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland wird dominiert von westdeutschen Männern über 50. An ihrer Spitze steht allerdings eine Frau aus Ostdeutschland. Und: Der Autor Péter Esterházy über die Hölle der Perfektion und das Deutsche in Ungarn. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Die Ökobürger? In seinem Standardwerk „Shopping Our Way to Safety“ beschreibt Szasz den Konsum von Produkten mit ökosozialen Qualitäten nicht als Teil einer gesellschaftlichen Bewegung, sondern als Rückzug aus der Gesellschaft.
In den letzten Monaten hat Szasz in religiösen Milieus geforscht, auf der Suche nach Dynamik jenseits des dysfunktionalen Rechts-links-Denkens. Die Idee: Menschen, die ihre politischen Haltungen aus der Religion ableiten, nehmen in ihr Werteportfolio offensiv den Kampf gegen den Klimawandel auf, hier Bewahrung der Schöpfung genannt. Womöglich neben Rassismus, Waffenobsession oder Homophobie, aber man kann in der Frage nicht mehr wählerisch sein.
Leider deuten Szasz’ Studien darauf hin, dass das wohl auch nichts wird. Und damit sind wir bei der Katastrophe. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass kaum etwas getan wird, bis etwas ganz Furchtbares geschieht und ein Geschrei losgeht, dass sofort etwas passieren muss.“ Was? Da wir es mit US-Amerikanern zu tun haben, wird dann wohl geschossen. Geo-Engineering, denkt Szasz. Da schießt man, etwa, mit einer Silberkugel Wolken aus Sulfatnanopartikeln in die Stratosphäre. Könnte fatal sein, aber was soll’s, wenn die Katastrophe eh schon da ist?
Die Klimaanlagen surren. Die Whirlpools dampfen. Der Beach ist einen Kilometer Luftlinie entfernt. Der Professor hat seinen Kaffee ausgetrunken und geht Richtung Parkplatz. „Kein schlechtes Leben“, brummt er.
1956 ist Andrew Szasz vor den Kommunisten aus Ungarn geflohen. Ende der 60er demonstrierte er als aktiver Teil der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg. „Damals dachten wir, dass wir die Welt ändern könnten“, sagt Szasz. „Es war eine Illusion“.
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