Kolumne Die eine Frage: Juhuu!
Im Wochenrückblick ist die neue Generation der Grünen nur peinlich. Früher hatten wir Peter, Paul und Mary. Heute haben wir Terry, Ska und Jan Philipp.
W ährend Daniel Cohn-Bendit nach seinem Abschied als EU-Politiker fröhlich mit dem Bus namens „Socrates“ durch Brasilien tuckert, ist ein neuer Stern an Europas Grünen-Himmel aufgegangen. Theresia „Terry“ Reintke. Wer ist sie?
Reintke, 27, ist Abgeordnete unseres EU-Parlaments und neue Co-Anchor in einem Videoclip, mit dem die EU-Grünen uns Bürger für Europa sensibilisieren wollen. Damit wurde sie diese Woche zum Youtube-Star. Sie ist bei unserer Jugend jetzt fast so populär wie Günther Oettinger. Ihre Fans nennen sie „Grüner Teletubby“.
Reintke tritt in Brüssel laut ihrer Bewerbungsrede an gegen „weiße, alte Männer“, die in „Hinterzimmern“ kungeln. Für ein „rebellisches“ Europa. Sie will die wirklichen Themen „von der Straße in die Parlamente bringen“ (hier ist Ihr Beifall vorgesehen).
Wie man dem Clip entnehmen kann, ist ihr Lieblingswort „juhuu!“. Das Parlament ist „total aufregend“, sie ist in „spannenden Ausschüssen“, etwa dem Frauenausschuss. Allerdings gibt es eine Sache, die nicht juhuuu ist und Reintke „sehr wütend gemacht“ hat. „Komische Leute“. Damit meint sie nicht sich, sondern Politiker, die bedenkliche, jedenfalls andere Ansichten vertreten. Sie will jetzt erst mal Juncker „unter Druck setzen“. Wir Bürger sollen helfen und „ganz fleißig twittern“.
Scheidung als Drama? Im Gegenteil, sie kann Kinder selbstständiger machen, sagt Scheidungsforscher Ulrich Schmidt-Denter. Wie der Wissenschaftler sämtliche Scheidungsklischees zerlegt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 12./13. Juli 2014. Außerdem: Warum der Sparzwang der Kassen den Schmuggel der Pillenmafia ermöglicht. Und: 75 Euro weniger fürs neue Topfset! Wir bringen Ihnen bei, wie man auch im Kaufhaus erfolgreich feilscht. Dazu natürlich: Jogi gegen Messi in der taz.brasil. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Moment, bitte, dann twittere ich jetzt mal schnell. Am besten etwas Rebellisches? Ah, ich hab’s: „Juhuuu!“ So. Und damit zum Service. Wenn Sie auch jung sind und für die Grünen in spannenden Ausschüssen wütend werden wollen, dann merken Sie sich erstens: Für Frauen, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle sein. Weiße, alte Männer immer strengstens ablehnen. Ausnahme: Ströbele, Böll (posthum).
Punkt zwei: Behaupten Sie, dass Sie die Straße repräsentieren. (Aber zu Besuch bei ihren Grünen Parteifreundinnen und Freunden bitte immer die Schuhe ausziehen.) Drittens: Rebellisch sein. Dies am besten durch eine mutig-nonkonformistische Oma-Kette um den Hals unterstreichen. Viertens: Twittern. Fifa? „Saustall“. NSA? „Kann nicht sein“. Jedes Thema: „Fassungslos!“.
Und ganz wichtig: Ein Künstlervorname. Nennen Sie sich auf keinen Fall Theresia, wenn Sie Theresia heißen. Auch nicht Resi. Bestehen Sie auf Terry. Wie Terra. Die (grüne) Mutter Erde. Oder wie Terrier. Im verbissenen Kampf gegen Austerität und für Originalität. Wenn Sie Franziska heißen wie die andere Clip-Moderatorin, niemals Franzi nennen (zu deutsch) und auch nicht Fran (zu amerikanisch). Es muss nach Rock ’n’ Roll klingen. Nur punkiger. Nennen Sie sich Ska. Da sind auch groovige Wahlslogans möglich: Hurra, hurra, Ska Ka ist da. Kein Blabla, sondern Ska.
Wenn Sie ein Mann sind, heißen Sie auf keinen Fall Joseph. Lieber Jan Philipp. Das ist der dritte Moderator der Grünen-Show. Jan Philipp Albrecht ist als Datenschutzpolitiker vorne dran, aber das kann man nach Ansicht des Videos nicht ahnen.
Früher hatten wir Peter, Paul and Mary („Puff, the Magic Dragon“). Heute Ska, Terry und Jan Philipp („Hey, Alter, geil“). Ein umgedrehtes Geschlechterverhältnis. Da sieht man, was die Grünen durch Rebellion und Twittern alles bewirken können. Juhuuu. Wir Bürger bitten indes um Verständnis, dass wir das Regieren nach Ansicht dieses Videomaterials vorerst noch den weißen, alten Männern überlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko