Kolumne Die Kriegsreporterin: Mehr Pferde als vorm Ersten Weltkrieg
Die „Süddeutsche Zeitung“ wird zum Kreml der deutschen Medienlandschaft und Trendforschung ist ein alter Militärgaul.
H allo taz-Medienredaktion!
Ich habe was total Irres rausgefunden: Bei der Süddeutschen Zeitung, meiner zweiten Lieblingszeitung, reden die RedakteurInnen nicht miteinander. Also, die mailen auch nicht oder machen Pantomime. Nö. Jeder macht so vor sich hin. Anders ist es kaum zu erklären, dass es seit einiger Zeit diese sehr ambitionierte und in ihrer Aussage sehr eindeutige Beilage Plan W gibt, eine Beilage zum Thema FrauenBerufKarriereWirtschaft, und in derselben SZ-Ausgabe, in der Plan W beiliegt, werden in der Titelgeschichte des Hauptheftes sieben Personen befragt, wieviel Meinungsbefeuerung die gesellschaftliche Mitte aushält.
Wichtiges Thema. Frauen? Eine. Wobei die Vorsitzende der Grünen Jugend, die neben Christian Wulff, Christian Lindner und Bernd Höcke zu Wort kommt, natürlich erst schnuckelige 22 Jahre alt ist. Das ist so ähnlich, als würde Putin jährlich 50 Euro an Amnesty überweisen und es würde dann offiziell heißen, der Kreml unterstütze die Arbeit der Menschenrechtsorganisation.
Vielleicht sollte es mal einen „Plan G“ geben, einen Plan „Geschlecht“, der festhält, dass Frauen gleichberechtigt im Blatt vorkommen und es nicht damit getan ist, ihr Anrecht in eine Beilage auszulagern. Kister!
Aber auch die Moderne macht mir Kopfweh. Diese neue Mode, alles zu personalisieren. Cola, Nutella, Kinderriegel – whatever, überall stehen jetzt immer so hässliche Vornamen drauf. Nur damit man die Scheiße kauft. Und nun geht dieser Schwachsinn auch noch bei Zeitschriften los. Bei einer Frauenzeitschrift, war ja klar. Das Magazin Emotion, was so viel heißt wie „Ich denke mit dem Bauch“, schickt seinen Abonnentinnen jetzt ein Heft zu, auf dem statt des Titels Emotion der Name der Leserin steht.
Ich weiß nicht, was die sich dabei gedacht haben, aber die Meldung zu diesem Umstand ging ausgerechnet mit einem Heft namens Silke durch die Presse. Ich meine, es gibt nun wirklich genügend andere Vornamen. Auch lieblichere. Aber ausgerechnet mein bis zur Aufnahme der 16 Millionen Wirtschaftsflüchtlinge aus der DDR mehr oder weniger nicht vergebener Name prangt dick und fett über dem Foto einer Frau, die Kathrin Bauerfeind sein soll, aber – und jetzt kommt’s – mehr Übel hätte man mir nicht antun können, aussieht wie Ildikó von Kürthy. Das verzeihe ich nie!
Alte, kluge Männer
Du hast dich sicherlich schon oft gefragt, warum ich Männer eigentlich so toll finde, vor allem ältere. Die Antwort ist: weil die so tolle Vergleiche haben. Weil die mit Dingen um die Ecke kommen, über die man erst einmal nachdenken muss. So Peter Wippermann. Peter Wippermann ist ein geschätzt 108 Jahre alter Trendforscher, der seit 150 Jahren sagt, wohin die Reise geht. Und oft genug richtigliegt. Der hat nun im Interview mit dem Branchendienst turi2 gesagt, Zeitungen könnten einen ähnlichen Weg gehen wie Pferde: „Ursprünglich Arbeitstiere, sind sie heute im Luxusmarkt.“ Und dann – und jetzt kommt’s – sagte er noch, es gebe heute in Deutschland mehr Pferde „als vor dem Ersten Weltkrieg“.
Das finde ich den Hammer! Nicht weil es mich vor dem Hintergrund überrascht, dass heute so viele Pferde in der Lasagne landen, sondern weil mir hier ein Mann gegenübersteht, der solche Zahlen im Kopf hat! Der so was weiß! Für den der Erste Weltkrieg eine Größe ist, auf die er Bezug nehmen kann! Das finde ich spannend an alten Männern. Die kommen einem nicht mit Joko & Klaas oder Pageimpressions. Nee, die haben den Ersten Weltkrieg im Kopf und können mit solchen Dingen die Welt einordnen! Und meiner Branche Zuversicht vermitteln. Durch kluge Vergleiche.
Und damit: Beglückt zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter