Kolumne Die Kriegsreporterin: E wie in Matussek
Das „E“ war weg, bis der „Spiegel“ es fand, weniger Alte-Socken-schmieriges-Kopfhaar-Muffgeruch bei Springer und die „Lichtgestalt“-Suche.
Hallo taz-Medienredaktion! Die letzten Tage waren schwer. Nicht nur wegen Paris. Auch auf ganz anderem Gebiet. Denn das E war weg. Es war einfach nicht mehr da. Weg und unauffindbar. Sätzx sahxn so aus. Bis am Freitag der Spiegel im Briefkasten steckte. Da endlich wusste ich, wo das E geblieben ist. Beim Spiegel.
Ich habe es sofort gesehen. Auf Seite 37. Dort ist es im Rahmen eines Interviews mit dem Präsidenten des Verfassungsgerichts auf einem Foto zu sehen. Und dort, vor den deckenhohen Fenstern, vor denen Andreas Voßkuhle steht, steht ganz groß das E.
Circa 1,50 Meter hoch, in Rot. Einfach so. Kein K dabei und kein P. Auch kein Geschwister aus der Vokalfamilie. Nö, das E steht ganz allein herum. Kurz denke ich: Ist das, weil die über Elektronik reden? Dann weiß ich, was passiert ist.
Kennst du noch Schlemihl, diesen windigen Alles-Mögliche-Verkäufer aus der Sesamstraße? Eine heute als antisemitisch zu begreifende Darstellung eines Verkäufers und fester Bestandteil meiner Sesamstraßenkindheit wird denen das E verkauft haben. Irgendwo aus dem Alphabet gerissen, unter der Jacke versteckt – so gut es eben ging – und dann dem Spiegel ein Angebot gemacht: „He du!“ „Wer, ich?!?“ „Psssst!!!!“ „Wer, ich?“ „Genaaaau! Willst du ein E kaufen?“ Und die Jungs vom Spiegel mit ihrer einen kleinen Frau in der Chefredaktion, die nirgendwo auftaucht, denken: „Ey, das E! Wie geil ist das denn?!“ und schlagen zu. Ja, und seitdem steht das bei denen am Fenster und unsereins kann sehen, wo er beziehungsweise sie bleibt.
Xin paar Tagx lang habx ich mich gxquält, dann habx ich dort, bxim Spixgel, angxrufen und das E zurückgefordert. Seitdem kann ich wieder vernünftig schreiben.
Die Kantine wieder ohne Kotzgefühl betreten
Und auch an anderer Stelle hat sich die Qualität verbessert! Menschen freuen sich, dass sie die Kantine wieder ohne Kotzgefühl betreten können, Kellerasseln frohlocken, dass der Alte-Socken-schmieriges-Kopfhaar-Muffgeruch weniger wird – Matthias Matussek ist am Dienstagmittag bei Die Welt rausgeflogen!
Der brennende Katholik, den der Spiegel unter Vorspiegelung eines falsches Geisteszustands an Springer hatte loswerden können, hatte nicht nur seine Gesinnung offenbart und im Zusammenhang mit den Attentaten von Paris von der „neuen frischen Richtung“ gefaselt, die die Debatte um „unregistrierte junge islamische Männer“ nun endlich nehmen könne – und dies mit einem Smiley verziert.
Nein, er soll in einer Konferenz, dem “WamS-Brainstorming“, seinen Chefredakteur Jan-Eric Peters auch als „durchgeknallt“ bezeichnet haben. Unbestätigten Gerüchten nach sogar als „durchgeknalltes Arschloch“. Seine Anwaltskanzlei dementiert all das. Trotzdem: Bumm! Das ist mal ein Selbstmordattentat, das gefällt.
Lichtgestalt verzweifelt gesucht
Da ich trotz dieser himmlischen Ereignisse nicht an Gott glaube, kann ich rund um die Vorgänge in Frankreich mit diesem ganzen „Pray for Paris“-Gequatsche wenig anfangen.
Allerdings frage ich mich, ob es nicht sein kann, dass es doch den Teufel gibt. Denn ein Schurke scheint wieder einmal erstaunlich ungeschoren davonzukommen. Wie kein anderer profitiert Franz Beckenbauer von dem Traurigen der letzten Tage. Eigentlich wäre der Selbstherrliche dran, mit seinen diversen Machenschaften unter dem Brennglas der Medien zu schmoren.
Erst aber stirbt das alte Schmidtchen, dann kommt Paris – und Beckenbauer segelt unter dem Aufmerksamkeitshorizont davon. Aber wahrscheinlich kommt das vielen männlichen Kollegen zupass. Nicht nur Sportjournalisten, auch andere, für die „mehr“ eine Währung ist – mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Autos, mehr Ehen – brauchen eine „Lichtgestalt“.
Wohl weil ihre Birne nur mit 25 Watt funzelt. Erhellt zurück nach Berlin!
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