Kolumne Die Kriegsreporterin: Klopf, klopf, hier ist die Moderne!
Das ZDF braucht Hilfe bei der Suche nach neuen Shows für junge Leute, der Springer Verlag enttäuscht und der „Spiegel“ wird kuschelig.
![](https://taz.de/picture/159052/14/gummizelle_gruen_keimfrei___photocase.com.jpg)
H allo, taz-Medienredaktion!
Das ZDF hat mir geschrieben. Es sucht „gezielt den Dialog mit jungen Kreativen im Medienbereich“. Die Leute dort haben wohl gemerkt, dass man mit der „heute show“ allein kein Programm bestücken kann, und rufen deshalb einen Wettbewerb mit dem Titel „Show up!“ aus. Natürlich habe ich mich sofort angesprochen gefühlt und fünf Konzepte entwickelt, die a) ohne Markus Lanz und Joko und Klaas auskommen und b) richtig, richtig obertoll sind.
Zum Beispiel habe ich das Format „Tuma-BoX“ entwickelt. Der Zuschauer wird zu einer Art Gummizelle geführt, in der sich ein Mann, vornehmlich ein Spiegel-Redakteur, befindet und seiner Angst vor Frauen freien Lauf lassen kann. Er kann schreien, toben und gegen die Wände hauen, zum Beispiel weil Frauen auf die Idee kommen, sich zu organisieren, damit sie auch mal die eine oder andere Bestimmerposition abkriegen.
Wie wir Journalistinnen etwa, die wir uns zum Verein ProQuote zusammengeschlossen und das auch noch – zu Thomas Tumas Leidwesen – publik gemacht haben. Aufgabe der Fernsehzuschauer ist, das Ausflippen nach Kriterien wie artikuliertem Inhalt, Wortvarianz, Wortfindungsreichtum, aber auch nach ästhetischen Gesichtspunkten wie Rötungsgrad, Zuckungsgeschmeidigkeit und der Konvergenz von Inhalt und körperlichem Ausdruck zu bewerten.
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Aber – alles vergebens. Mitmachen bei „Show up!“ können nur Leute bis 30 Jahre. Also ich nicht. Ich bin ja schon 30 plus. Da ich kaum älter als 28 aussehe, finde ich das ziemlich beknackt.
Springer enttäuscht
Enttäuscht bin ich auch vom Springer-Verlag. Der hatte versprochen, nicht mehr in Printtitel zu investieren, und hält nicht Wort. Pünktlich zum Champions-League-Finale am Sonnabend ist Der Griller auf den Markt gekommen. Ein Heft, wo der Mann noch Mann sein darf. Da stehen nicht irgendwelche Jasminreiskocher, wie in Gruner + Jahrs Blutwurstmagazin Beef in der Bulthaup-Küche mit integrierter Thermofühlfunktion, die eben noch auf dem Markt drei Blätter Portulak erstanden haben, am Induktionsherd und gucken das Reh warm.
Nee, da wird das Wildschwein auf dem Rost mit Bier übergossen, während Mandy in Bikini und Ugg Boots danebensitzt und versucht, das Caipi-Rezept nachzukochen. Könnte man denken, ist aber nicht so. Auch bei Springer hat die Moderne angeklopft, und so werden aus Kerlen, deren Väter noch Erz in Hochöfen geschippt haben, Beck’s-Lemon-Trinker, die Vegetarisches auflegen. Total süß empfiehlt das Heft in höchster Sprachkunst „Von Schwenken bis Elektro – die besten Grills für jeden Typ“.
Auf der anderen Seite wird man damit der Geschichte von Axel Springer, dem Jungen, gerecht, der – wie man aktuell im Internet erfährt – in einer Garage groß wurde. Der hatte, weil das mit den Wörtern schwierig war und um die Zeit bis zu einer möglichen Befreiung rumzukriegen, angefangen, Bilder auszuschneiden. Eine Technik, die er nach seiner Zeit im Verlies mit der Bild-Zeitung perfektionierte. Eine Zeitung, die schon bald dank „einfacher Sprache“ zum erfolgreichsten Inklusionsmedium Europas wurde.
Hinter dreimal um die Ecke formulierten Gedanken hingegen wandelt sich der Spiegel zum „HerzSpiegel“. Dort ist aktuell zu lesen, dass Springer-Vorstandschef Döpfner „noch verheiratet“ sei, aber eine Beziehung zu irgendeiner Kunsttrulla habe (einer tollen Erbin natürlich). Endlich. So lange immer nur Politik, Wirtschaft und Samenstau. In Vorfreude auf nächste Woche, wenn es heißt „Döpfner wieder bei seiner Frau – warum verließ er die schöne Erbin?“, zurück nach Berlin!
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