Kolumne Die Kriegsreporterin: Von Leid zu Leid zu Prada
Endlich mal die richtige Entscheidung beim Reporterpreis, das „Zeit-Magazin“ übertrifft sich selbst und Matthias Matussek will nicht zahlen.
H allo taz-Medienredaktion!
Nein, ich möchte nicht drüber sprechen, warum ich Montagabend nicht auf der Verleihung des Reporter-Preises war. Ja, mir ist klar, dass du jetzt tolle Infos hier erwartet hast. Ja, ich weiß, dass ich nun eine Reporterin ohne Report bin. Ja, ich werde zum Rapport erscheinen. Wie gesagt, ich möchte nicht drüber sprechen.
Sicher weiß ich, dass ich vor Kurzem einer etwas größeren Öffentlichkeit die Nachricht aus der Bunten weitergetragen habe, Sex schütze vor Erkältung. Was ich zu meiner Verteidigung vorzubringen habe? Dass auch nicht jeder, der über Diätrezepte schreibt, dünn ist. Wie gesagt, es tut mir leid. Zumal endlich einmal der beste Text ausgezeichnet wurde und die Jury nicht wieder ihren Willen zu Langeweile unter Beweis gestellt hat.
Dreimal war ich in der Vorjury und zweimal musste ich es erleben, dass die Hauptjury so Ich-mach-alles-richtig-bin-aber-leider-komplett-boring-Texte ausgezeichnet hat. Dieses Mal aber haben sie, zumindest in der Kategorie „Essay“ die schillerndste Perle zu greifen verstanden: Wolfgang Uchatius’ Text „Jan Müller hat genug“. Voll kapitalismuskritisch. Voll krass super. Kannste nachlesen im Netz.
Auch voll krass super ist die Fotostrecke des Zeit Magazins von letzter Woche. Schwarz-Weiß-Bilder des Fotografen Paolo Pellegrin, von Menschen aus dem Gazastreifen, die vor fünf Jahren einen schweren Luftangriff überlebt haben. Fotos von Menschen, die ihre Familie verloren haben oder ihre Beine. Fotos von Kindern, die der Schmerz ihrer Narben nicht schlafen lässt. Fotos, von Menschen, die einem das Glück vergegenwärtigen, nicht sie zu sein. Nicht aus diesem Land zu kommen. Aus diesem Krieg.
Fotos und kleine Texte, die einem augenblicklich bewusst machen, dass es noch ein anderes Leben gibt, neben dem warmen und trockenen, das wir hier in Deutschland führen. Und dann, während man sich von Leid zu Leid blättert, das nicht länger zulässt, so zu tun, als ginge es einen nichts an, eine Anzeige. Hell, bunt, rosa, lieblich. Von Prada. Parfüm. Fünf Seiten später die eines Juweliers. Ein reiches Bilderbuchpaar, darüber die Worte „Traum / Ewigkeit“, sie trägt eine Uhr für 125.000 Euro. Und es fährt in einen hinein, wie ein Schock.
Unser fehlgeleitetes Leben
Nicht häufig ist eine Werbung unpassender, schmerzender, zynischer. Und nicht häufig führt Werbung so vollendet vor, wie fehlgeleitet wir unser Leben führen, wie blödsinnig es ist, diesen Dingen nachzuhechten und zu glauben, es sei Parfüm oder eine Uhr, die man zum Leben bräuchte. Die Absurdität unseres Trachtens, die billige Flucht in Güter wurde selten so auf den Punkt gebracht, wie durch die Werbung inmitten dieser Pellegrin-Fotos. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das im Sinne der Anzeigenkunden ist. Aber der Effekt ist enorm.
Ich möchte den Zeit-Magazin-Machern für ihr geschicktes Statement danken. Und vorschlagen, dass die Strecke mitsamt der Werbung beim nächsten Lead-Award für die Geschicklichkeit in der Platzierung einer Aussage ausgezeichnet wird.
So, und bevor ich mich nun wieder meinem Wick Medinait zuwende, will ich noch schnell das Neueste von Matti erzählen. Du erinnerst dich, Matthias Matussek, der Mann, der erreicht hat, dass Kurt Krömer ihn Butterblümchen nennen darf, ich aber nicht. Der ärgert sich wie Bolle über das Kölner Landgericht, das ihm in seinem Bestreben, mir die Aussage zu untersagen, zwar recht gegeben hat, aber möchte, dass er die Hälfte der Kosten trägt. Also nicht ich ganz viel und er nur ein Krümelchen. Dagegen geht Matti jetzt vor.
Ja, was soll ich sagen?! Bleibt nur: Und damit zurück nach Berlin!
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