Kolumne Die Kriegsreporterin: Seehofers Sonnenuntergang
„SZ“-Galeerenarbeiter, Schleimspuren im Bayerischen Rundfunk und auf Twitter meldet sich ein Ekelfleisch-Chef zu Wort.
H allo taz-Medienredaktion!
Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, warum immer alle von der Krise reden. Bei meiner zweiten Lieblingszeitung, der Süddeutschen etwa, da ist alles bestens im Fluss!
Die neue Wochenendausgabe ist recht hübsch geworden, Nimmermüde basteln an der „SZ-Langstrecke“ für die Extraportion Geld, und der sympathische junge Online-Chef, der sicherlich nie für 152 Euro am Tag journalistisch arbeiten würde, rechtfertigt, warum dieser Tagessatz für seine Galeerenarbeiter total okay ist.
Wenn man so eine Crew hat, dann kann man als Chefredakteur vollkommen entspannt drei Tage mit dem Bundespräsidenten durch Afrika reisen und sich daran erfreuen, dass die Schirmakazien „wie hingetuscht“ in der Landschaft stehen. Und wenn dann zu Hause Sätze wie „Vor rund einer Woche ist man wieder mal zusammengesessen“ gedruckt werden, dann schert das keinen großen Geist, weil die Malariamücken, die auf der Lauer nach dem klugen Weißen sich die Rüssel lecken, brisanter sind.
Oder nehmen wir Jörg Pilawa. Den kennst Du ja. Aber kennst Du noch „Quizduell“? Das ist ein Handyspiel, das vor anderthalb Jahren totaaal angesagt war. Die ARD oder Das Erste, also irgendeine dieser Einrichtungen, die der Normalbürger nicht auseinanderhalten kann, hat dazu eine Sendung entwickelt, die jetzt störungsfrei funktionieren soll.
Fernsehen und Zukunft?
Jetzt, wo „Quizduell“ so wie der Häschenwitz ein Relikt sehr vergangener Tage ist. Und Jörg Pilawa sagt im Focus, er wolle wissen, ob „diese Form der Unterhaltung im Fernsehen eine Zukunft“ habe. Das fragt er in einer Zeit, in der andere überlegen, ob das Fernsehen überhaupt noch eine Zukunft hat.
Keine Zukunft, im Bayerischen Fernsehen jedenfalls, sollen Politiker haben. Nachdem der Anwärter aufs Ministerpräsidentenamt, Markus Söder, wie ein Außerirdischer in der Sendung „Dahoam is Dahoam“, zu Deutsch: „Scheiße bleibt Scheiße“, gelandet ist und Protagonisten, Polstergarnituren und Feldwege mit einer alles verklebenden Schleimspur überzogen hat, hat der Intendant gemeint, so ginge das nicht. Er will keine Volksvertreter mehr in den Volkssendungen sehen.
Diese Entscheidung hat den Bayernführer Horst Seehofer sehr erzürnt, der „BR“ nicht als „Bayerischen Rundfunk“, sondern als „Bayerische Regierung“ verstanden haben muss, wie jemand auf Twitter feststellte. Lustigerweise fiel das Zürnen des blassen Regenten in die Bekanntgabe von Umfrageergebnissen bezüglich der Staatsnähe des BR. Demnach nehmen viele Bajuwaren den BR als „Staatsfunk“ wahr. Und finden glücklicherweise das BR-Bemühen, der CSU den christlichen Kuhschwanz zu lutschen, „lächerlich“.
Ein würdiger Abgang
Und während der Münchner Merkur berichtet, dass auffallend viele Journalisten zu Sprechern von CSU-Politikern werden, überlegt Seehofer, wie ihm ein „würdiger“ Abschied aus der Politik gelingen könnte. Ich bin sicher, die Freunde vom BR helfen gern. Vielleicht mit der Moderation einer Polit-Talk-Runde. Oder mit einem Kirchen-Format, „Seehofers Kapellen“ – irgendetwas, damit der Landesvater a. D. nicht allzu traurig in den Sonnenuntergang seines Lebens blicken muss.
Lustig war es, dieser Tage auf Twitter zu verfolgen, wie der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, den Anti-Stefan-Niggemeier-Artikel von Harald Martenstein nutzt, um gegen „Niggi“, wie der Kollege genannt wird, zu stänkern.
Das ist umso erstaunlicher, hört man doch raus, wie angestochen Diekmann davon ist, dass einer unablässig Maden aus dem Ekelfleisch Bild zieht, das der Chef so gern als „Güteklasse A“ verkauft.
Belustigt zurück nach Berlin!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm