Kolumne Die Frauenfußballversteher: „Sag niemals nie, Sam!“
US-Botschafter Philip Murphy ist noch benommen vom Viertelfinale – aber wieder voller Hoffnung fürs Halbfinale.
I ch bin immer noch ganz mitgenommen vom Viertelfinale. Ich habe fast meine Stimme verloren. Ich bin jetzt noch ein bisschen heiser. Nach dem Spiel in Dresden hat meine Familie entschieden: Das war der größte Sportthriller, den wir jemals live erlebt haben, vielleicht sogar das spannendste Event überhaupt.
Mein Sohn Sam war der Meinung, die drei Minuten zusätzlicher Spielzeit in der Verlängerung reichen nicht. Aber ich habe ihm gesagt – und das ist eine wahre Geschichte: „Sam, sag niemals nie!“ Es war einfach unglaublich, als Abby Wambach getroffen hat. Ich habe meine Fassung für einen Moment verloren. Unser Team hatte mehr Kraft und den größeren Willen. Ich muss das noch mal erzählen, die Szene, die zum Tor führte: Als die Brasilianerin eine Verletzung simulierte und dafür Gelb bekam, hat uns das noch einen zusätzlichen Energieschub gegeben. Als die Flanke von Megan Rapinoe noch in der Luft war, hatte ich schon eine Ahnung, dass Wambach das Ding reinmachen könnte.
Aber Wambach war nicht die einzige Heldin des Spiels, da war auch noch Hope Solo. Sie ist wahnsinnig gut. Eine unglaubliche Torhüterin. Sie hat Attitude, das mag ich. In meiner Familie haben wir drei Fußballheldinnen: Abby, Hope und Heather OReilly. Die drei mögen wir besonders gerne. Vielleicht hatten die Brasilianerinnen für einen Moment vergessen, dass wir Doppelweltmeister und der aktuelle Olympiasieger sind, unser Team ist taff und intelligent. Im Spiel gegen Frankreich möchte ich die Elf aber bitten, das entscheidende Tor etwas früher zu machen. Das würde meine Nerven schonen.
PHILIP D. MURPHY, 1957 in Boston geboren, ist Harvard-Absolvent und seit August 2009 US-Botschafter in Deutschland. Davor war er 23 Jahre lang bei der Investmentbank Goldman Sachs tätig, das Privatvermögen des Obama-Unterstützers wird auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Murphy ist Mehrheitseigentümer des Frauenfußballvereins Sky Blue FC, der in Piscataway Township/New Jersey spielt.
In den USA ist der Nachhall dieses Thrillers übrigens angekommen. Die Washington Post hat auf Seite 1 mit einem großen Bild vom Spiel aufgemacht. Ich glaube, die US-Fans sind sogar ein bisschen verliebt in dieses Team, verdient hätten es die Spielerinnen jedenfalls. Mit Liebesentzug müssen jetzt freilich die deutschen Spielerinnen leben. Dass sie raus sind, hat mich überrascht. Wie schade für diese WM! Aber die Weltmeisterschaft insgesamt ist ein Riesenerfolg. A huge success! Die hebt den Sport auf ein neues Level.
Aber wenn sie mich fragen, ob die WM mit einem deutschen Team im Finale noch erfolgreicher geworden wäre, dann sage ich ihnen: natürlich. Aber auch so läuft es gut. Wir müssen jetzt allerdings gegen starke Französinnen ran, die einen Tag mehr Ruhepause hatten als wir. Ich befürchte, wir sind müde. Wir haben sechs Spielerinnen, die bereits verwarnt wurden, und wir müssen auf die rotgesperrte Rachel Buehler verzichten. Und die Französinnen haben, ähnlich wie wir, das Momentum auf ihrer Seite. Sie sind nach einem Rückstand zurückgekommen und haben das Elfmeterschießen gewonnen. Das wird heute eng für uns. Ganz wichtig: Wir dürfen nicht wieder in Rückstand geraten. Und wir brauchen die Energie, die Schnelligkeit und den Willen von Dresden. Dann werden wir auch Weltmeister.
Aufgezeichnet von Markus Völker
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