Kolumne Die Couchreporter: Der dunkle Spiegel unserer Realität
Die App bestimmt das Leben. In der ersten Folge der neuen Staffel von „Black Mirror“ bewertet Lacie Pound Interaktionen mit Mitmenschen.
W as, wenn wir uns alle nach jeder Begegnung per App bewerten würden und unsere Miete davon abhinge? Was, wenn Menschen, die in sozialen Medien Morddrohungen bekommen, dann wirklich auf brutale Art ermordet würden? Was, wenn Menschen von Hackern mit gestohlenen Sexfotos zum Morden gezwungen würden? Ist das schon Sciencefiction oder ist das einfach nur die Zeit, in der wir leben? Die dritte Staffel der Serie „Black Mirror“ entwirft eine Reihe von Dystopien, die manchmal von unserer Gegenwart kaum zu unterscheiden sind.
Der Titel „Black Mirror“ meint die zahlreichen spiegelnden Flächen, die uns im Alltag umgeben, die Bildschirme von Smartphone, Computer und Fernseher. In der Serie, die nun nicht mehr beim britischen Sender Channel 4, sondern auf Netflix läuft, haben diese dunklen Spiegel etwas Bedrohliches.
Jede Folge erzählt eine für sich stehende Geschichte in einer für sich stehenden Welt, aber in jeder Folge unterwerfen die „Mirrors“ die Menschen auf eine eigene Art. Oder besser: Die Menschen unterwerfen sich (mit) ihnen selbst und gegenseitig.
In der ersten Folge der dritten Staffel lebt Lacie Pound in einer Welt, in der alle Menschen sich gegenseitig ständig per App mit bis zu fünf Punkten bewerten. Die ersten Szenen, in denen Menschen mit ihren Handys herumstehen, in denen Pound ihren Kaffee abfotografiert und postet, obwohl er ihr nicht schmeckt, sind dem Zuschauer gar nicht so fremd.
Doch die Bewertungen sind Facebook, Linkedin und Schufa in einem. Sie bestimmen, welche Jobs und Wohnungen man bekommt und wo man erwünscht ist. Wer ein Rating von weniger als 2 hat, wird verachtet. Pound, mit einem respektablen Rating von 4,2, will gerne aufsteigen. Aber um einen Rabatt auf ihr Traumapartment zu bekommen, bräuchte sie ein Rating von 4,5. Und dafür geht sie viele fragwürdige Kompromisse ein.
Die Serie eignet sich nicht zum Binge Watching
„Black Mirror“ meint aber auch die dunkle Spiegelung unserer Realität. Das ist der Markenkern der Serie. Konsequent denkt sie die düsteren Seiten unserer technologischen Realität zu Ende. Die Folgen steigen meist unscheinbar ein und steigern sich.
Ein Weltenbummler muss schnell Geld verdienen und testet ein neues Horror-Computerspiel, das die eigenen Ängste virtuell wahr werden lässt. Ein Mädchen lädt ihrem Bruder aus Versehen einen Virus auf den Rechner. Wenig später filmen ihn Hacker beim Masturbieren und erpressen ihn mit dem Video.
Eine Journalistin wird auf Twitter bedroht, nachdem sie sich abfällig über Behinderte geäußert hat, und wird kurz darauf ermordet. Man ahnt immer schon früh: Die Geschichten enden nicht gut.
Deshalb ist es schwer, „Black Mirror“ internetgerecht in einem Rutsch anzuschauen. Die Folgen sind, in ihrer Spannung zwischen „das ist zu düster, um je wahr zu werden“ und „genau so ist doch die Welt“, extrem verunsichernd.
Zugleich sind die Drehbücher von Charlie Brooker nach den zwei ersten Staffeln vorhersehbar geworden: Die Fixierung auf Pädophilie und sinnlose Machtspiele, die düsteren Wendungen kurz vor Schluss und die ProtagonistInnen, die die bunte Matrix der farblosen echten Welt vorziehen. Umso überraschender sind dafür die wenigen Folgen, die ein befreiendes Ende haben.
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