Kolumne Der entscheidende Unterschied: Lauter starke Jungs
Haben die Medienmänner Angst oder sind sie bloß ignorant? Das starke Geschlecht tut sich noch ziemlich schwer mit der WM.
D er Kicker hat sich entschieden. Genug der Berichterstattung über 16 Frauenteams und ihre Weltmeisterschaft. Ein Sonderheft muss reichen. Das Zentralorgan der deutschen Fußballgemeinde widmet sich in ihrer aktuellen Montagsausgabe wieder ihrem Lieblingsthema. Auf dem Titel: Mario Götze und Julian Draxler. Überschrift: „Starke Jungs“. Von Seite 6 bis 18 wird der Bundesliganachwuchs vorgestellt – ausschließlich der männliche, versteht sich.
Ein Schelm, wer da Böses vermutet? Auf der Internetseite des Kicker bietet sich ein ähnliches Bild: Lange muss nach unten gescrollt werden, bis sich der erste zaghafte Hinweis zur Frauen-WM im eigenen Land entdecken lässt. Da wird zuvor lieber über Spielerwechsel bei Manchester United und Neuzugänge in der Zweiten Bundesliga berichtet. Eine Liga, die sich zurzeit übrigens in der Sommerpause befindet.
Was ist da los? Sollten den Medienmännern etwa bange sein, dass der weibliche Fußball zu viel Aufmerksamkeit erhält oder sich am Ende doch herausstellt, dass „Fußball-WM der Frauen ist, wenn man trotzdem Spaß hat“? Dieser Kommentar stammt von Michael Antwerpes. Der Mann ist bei der ARD angestellt, wird von unseren Gebührengeldern bezahlt und für die nächsten drei Wochen zur WM-Moderation abkommandiert. Fast könnte er einem leidtun.
Vielleicht sollte sich Antwerpes mal Lothar Matthäus zum Fachsimpeln in die Sendung einladen, damit ihm die kommende Zeit leichter fällt. Der Rekordnationalspieler, Profi-Fettnapf-Treter und ausgewiesene Frauenexperte tat sich vor vier Wochen in einem Interview mit einem charmanten Kompliment hervor. Über die Ballkünste ehemaliger Nationalspielerinnen lästerte Matthäus: „Vor 20 Jahren sind die Frauen noch über den Ball gefallen und gestolpert. Das hatte mit Fußball wenig zu tun“. Mittlerweile traut der DFB-Ehrenspielführer den Frauen aber einiges zu: „Heute spielen die Spielerinnen einen technisch und taktisch sauberen Fußball. Einige finde ich auch sehr hübsch.“
Während sich die Kickerinnen fußballerisch weiterentwickelt haben, scheint das Machotum noch in den neunziger Jahren hängen geblieben zu sein: Das ist auch heute weder technisch noch taktisch sauber. Im Angesicht von starken Mädels schwinden wohl die Kräfte der starken Jungs.
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