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Kolumne Der Rote FadenShadowrun mit Axel Springer

Daniel Schulz
Kolumne
von Daniel Schulz

In den Schatten schreien die Süchtigen nach Stoff. Die Linkspartei hätte sie sich böser nicht ausdenken können, die Zukunft.

Eine Zukunft, die sich die Linkspartei nicht hätte schlimmer ausdenken können. Bild: reuters

S chüsse fallen, Neonlichter flackern, schmierige Läden verkaufen Organe, und in den Schatten schreien die Süchtigen nach Stoff. Die Linkspartei hätte sie sich böser nicht ausdenken können, die Zukunft. Und die Kapitalisten die Gegenwart nicht schöner. „Shadowrun Returns“ ist ein Computerspiel, das eine postmoderne diktatorische Gesellschaft in dreißig, vierzig Jahren zeigt. Und es war schon ein kommerzieller Erfolg bevor es am Donnerstag zu kaufen war. Weltweit wurden 2 Millionen Dollar für seine Produktion gesammelt.

Es ist das erste millionenschwere Spiel, das per Crowdfunding in die Welt kam. Mit seinem leichten Hang zur Apokalypse hat es etwas tazziges: Staaten sind nur noch Staffage. Konzerne regieren, und der große Teil der Menschheit fleucht in radioaktiv verseuchten Slums herum.

Cyberpunk nennt sich die geistige Strömung dahinter, die eine Zukunft heraufziehen sieht, in der alles wahr wird, was die Punks heute scheiße finden. Entstanden in den 1980ern war sie intellektuelles Futter für Hacker wie den Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange und beeinflusst bis heute, wie sie die Welt sehen.

Was auch daran liegt, dass gute Science-Fiction nichts neu erfindet. Sondern extrapoliert. Spiegel online und andere schrieben diese Woche ganz aufgeregt über die neuesten Gerüchte zum nächsten iPhone, also kleine Computer, die wir am Körper tragen – bei „Shadowrun“ geht es um den heißesten Kram, den man sich den Körper einbauen lassen kann. Cyberarme oder Implantate, mit denen das Hirn direkt ins Internet geht. Oder eine Drone steuert. Ja, wenn der Euro Hawk so etwas drauf hätte, hätte Herr de Maizière Geld wenigstens für Beeindruckendes hinausgeworfen.

Einen Schritt in die Zukunft hat auch der Axel-Springer-Konzern gemacht, wobei noch nicht ganz klar ist, wer da eigentlich wen gekauft hat, bei dem Riesenkredit, den die Funke-Gruppe bei Springers aufnehmen musste. Bald aber auch egal, der Gemischtwarenladen Deutsche Medien- und Kommunikations AG verkauft in „Shadowrun“ von BZ bis Süddeutsche alles, was gedruckt und digital zu haben ist.

Die Spieler verdienen als Tagelöhner ihr Geld, die von Konzernen angeheuert werden, um deren Drecksarbeit zu erledigen. Okay, man kann auch für die Gegenseite arbeiten. Aber als wir in den 2000ern noch die analoge Variante von „Shadowrun“ spielten, habe ich Anarchisten, Sozialdemokraten und Iro-Träger meist nur für unbarmherzige deutsche Stahlkonzerne und brutale japanische Technikkonglomerate laufen sehen. Die Wirtschaft zahlte einfach besser als ihre Gegner. Wir waren alle Gerhard Schröder.

Aber so düster diese Fiktion ist, die Wirklichkeit schlägt sie wieder mal. Denn die Cyberpunk-Vision hatte wenigstens noch etwas sehr Körperliches. Wenn es Daten zu stehlen galt, musste man mit seinem Hacker meist immer noch ins Gebäude eindringen, mit Schleichen und Schießen. Im Gegensatz zu dem, was die NSA abzieht, wie Überwachung heute generell funktioniert – unsichtbar, unscheinbar, fast gar nicht da – hat das schon etwas beruhigend Bruce-Willis-haftes. Vielleicht wird man erschossen, aber wenigsten von jemandem, den man anfassen kann. Gegen den man sich wehren kann.

Kein Wunder, dass die Menschen sich mehr für ein Kind namens George interessieren. Anfassbareres als das königliche Gutschi-gutschi-gu gibt es ja wohl kaum. So schön wie sinnlos stemmte sich auf Twitter dem Hype ein Mann entgegen, der sich @_D_B_Cooper nennt: „Die einzigen William&Kate, die mich interessieren, heißen Tanner und haben vor 27 Jahren ALF bei sich aufgenommen.“

Aber auch Alf hatte ja etwas unheimlich Körperliches. Und wäre auch ein schöner Name für das Kind gewesen. George, Harry, William … laaaangweilig! Kevin, das wäre doch mal ein Statement Richtung Grundschullehrer. Louis, der letzte Name des Kindes, der hat wenigstens ein bisschen was Provokatives, weil französisches. Erzfeind und so. Wo derzeit ausgerechnet auf dem Trafalgar Square in London, also dem Ort, der dem historischen Sieg über die Franzosen gewidmet ist, die deutsche Künstlerin Katharina Fritsch einen gigantischen blauen Hahn aufgestellt hat. Das französische Symboltier, der Londoner Bürgermeister tat sich etwas schwer bei der Präsentation. Zumal sich neben dem Hahn, Englisch „cock“, die phallische Säule des Siegeradmirals Nelson erhebt. Das gab ein Hoho und Hihi und wenigstens ein bisschen Aufregung über Kunst.

Die Frage stellt sich ja – produziert Crowdfunding nur noch Ergebnisse des kleinsten gemeinsamen Nenners? Konsenskonsumkunst? „Shadowrun returns“ jedenfalls ist so fehlerhaft und sieht so 1990er aus, dass sich man sich wundert: Wo ist nur das viele Geld geblieben?

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Daniel Schulz
Reportage und Recherche
Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.
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11 Kommentare

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  • H
    Hans

    Ich befürchte auch, dass der Autor leider vorher noch nicht die Gelegenheit hatte, das Rollenspiel Shadowrun zu spielen, sonst wäre hier vielleicht mehr Einsicht.

     

     

     

    Ich empfehle es jedoch. Schöne Vorbereitung auf die Zukunft. Wobei die Metas und die wiedererwachte Magie vermutlich ausfallen werden. ^_^

  • "William & Kate Tanner" & ALF

     

    Echt gut, das.

  • Nebenbei: Shadowrun *ist* 90-er. Die Fans *wollen* das so. Denn die Realität ist so beschissen, dass Snowden nunmal nicht auf ein schwerbewaffnetes Heer von Anarchisten zurückgreifen kann, die ihn verschwinden lassen, sondern einfach im Flughafen festsitzt.

     

     

     

    Anders als in Shadowrun haben es in der wirklichen Welt die Anarchisten nicht geschafft, sich eine eigene Machtbasis aufzubauen. Zumindest keine, auf die Snowden oder Assange zugreifen konnten, als es um alles ging.

  • Shadowrun sieht aus, als könnten wir was ändern, weil wir starke Leute spielen - egal, wie sehr sie die Drecksarbeit anderer machen.

     

     

     

    In der wirklichen Welt müssen wir uns halt der trockenen Wirklichkeit stellen: Wenn 99% der Leute Lohnsklaven sind, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass wir Lohnsklaven sind, halt auch bei etwa 99%.

     

     

     

    Und für Lohnsklaven ist die Welt von Shadowrun mindestens genauso hart wie die heutige Welt.

     

     

     

    Und es gibt nicht umsonst bei langjährigen Shadowrunspielern schon seit 20 Jahren das geflügelte Wort: „Shadowrun kommt näher“.

     

     

     

    Zusammen mit dem eiskalten Schauer, der uns über den Rücken fährt, wenn wir wieder mal sehen, wie die Realität Shadowrun in einem weiteren Bereich überholt.

     

     

     

    Haben Monsanto und Microsoft wirklich Blackwater gekauft? … Shadowrun kommt näher…

  • W
    Wagner

    Was genau soll an dem Spiel 'fehlerhaft' sein? Ich konnte in zwei Tagen intensiven Spielens bislang nichts defektes Entdecken.

     

     

     

    Ich habe seit etwa 15 Jahren mit Shadowrun in seinen verschiedenen Erscheinungsformen zu tun und bin rundum zufroeden mit dem neuen Spiel bislang, es nimmt seine Community ernst, das ist selten geworden.

     

    Natürlich ist es spielerisch reichlich oldschool und kein hyperrealistisches HD-Feuerwerk, aber den hundertsten austauschbaren Actionkracher zu programmieren war ja weder Ziel noch wirtschaftlich machbar, right?

     

     

     

    Man sehe es als kpünstlerisches Gesamtkonzept: Ein oldschool anmutendes Spiel über eine Welt, die nicht auch nicht futuristisch, sondern RETROfuturistisch ist - denn die Vorstellung, daß Punks und Anarchisten der dystopischen Zukunst strotzen ist eben auch ein liebgewonnenes Relikt der späten 80er

  • Wie soll man danach noch Cyberpunk von Realität unterscheiden können und gibt es überhaupt einen nennenswerten Unterschied?

    • @Rainer B.:

      @Rainer B.: "..und gibt es überhaupt einen nennenswerten Unterschied?" Ich hoffe ja.

       

       

       

      Wenn ich allerdings lese, wie Arne Babenhauserheide von der Machtbasis der Anarchisten fantasiert, dann fürchte ich: "Nicht für Alle." Die Schatten werden länger. Vermutlich, weil die Sonne der Kultur tief steht.

       

       

       

      Shadow kommt ran.

      • H
        Hans
        @lichtgestalt:

        Kennen Sie überhaupt das Rollenspiel, um diese Anspielungen zu verstehen?

        • @Hans:

          Natürlich nicht. Meine Oma hat mir erklärt: "Wer keine Rolle spielt, spielt Rollenspiele."

          • @lichtgestalt:

            Dann kannte Ihre Oma ja das Rollenspiel ganz gut, oder?

  • Die Grafik ist nur Nebensache, es geht bei Shadowrun ja viel mehr um die Story. Aber die wurde nicht bewertet. Nur Oberflächlich beschrieben.

     

     

     

    Gespielt habe ich es aus Zeitmangel noch nicht.

     

     

     

    Aber Shadowrun gibt es schon seit ende der 80er Jahren. Begonnen als Pen&Paper Rollenspiel, welches Mittlerweile in der 5. Edition erschienen ist.

     

     

     

    Massenhaft Hintergrund hat und eine lange Romanreihe hat.

     

     

     

    Am wichtigsten ist bisher der Editor, dass die Kampoagnen die man bisher mit Freunden am heimischen Tisch gespielt hat nun auch nachbauen kann. Seine schrägen Ideen umsetzen und es mit Freunden teilen.

     

     

     

    Hätte sich Shadowrun nicht seit über 20 Jahren eine große Fanbasis in den USA, Deutschland, England und Frankreich aufgebaut, wäre wohl nicht soviel Geld zusammengekommen.

     

     

     

    Aber der Autor konzentriert sich auf die Grafik mit einer Handvoll Hintergrund, weiß aber nicht worauf es den Fans wirklich ankommt die da gespendet haben.