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Kolumne B-NoteInfantino wird Feminist

Der Fifa-Präsident stellt dem iranischen Fußballverband, der Frauen meist den Stadionbesuch verwehrt, ein Ultimatum. Und nun?

Iranische Frauen beim Länderspiel Iran gegen Bolivien in Teheran am 6. Oktober 2018 Foto: dpa

Endlich ein paar ernst zu nehmende Schritte.“ Die Reaktion der Aktivistinnen von Open Stadiums, die sich für den Zugang von Frauen zu Fußballspielen im Iran einsetzen, auf einen Brief von Fifa-Präsident Gianni Infantino an den iranischen Fußballverband ist von Hoffnung geprägt. Infantino fordert in dem Schreiben den iranischen Verbandspräsidenten Mehdi Taj auf, bis zum 15. Juli mitzuteilen, wie Frauen im Iran Zugang zu Stadien für die im September beginnende WM-Qualifikation verschafft werden kann.

Es ist ein neuer Ton, der da angeschlagen wird. Es ist das erste Mal, dass die Fifa dem iranischen Verband ein konkretes Datum nennt, bis zu dem etwas passieren muss. Seit fast 40 Jahren ist es Frauen verboten, Fußballspiele von Männermannschaften zu besuchen. Das soll sich nun ändern.

Dass Infantino den Brief schreibt, während in Frankreich gerade die WM der Frauen läuft, ist dabei alles andere als ein Zufall. „Die Augen der Welt“ seien in diesen Tagen auf die Fifa und speziell den Frauenfußball gerichtet, heißt es in dem Schreiben. Zu Turnierbeginn, als der Fifa-Präsident noch in Paris weilte, hat er sich kurz mit Vertreterinnen der Open-Stadiums-Bewegung getroffen. Das bestätigte der taz eine der Aktivistinnen. „Ein Datum zu nennen, war genau, was wir von ihm gefordert haben.“ Dass es genau so gekommen ist, sei dann doch überraschend gewesen.

Vielleicht war es das Treffen mit den Aktivistinnen, vielleicht aber waren es auch die Ereignisse in Teheran am Tag vor dem Eröffnungsspiel der WM in Paris, die Infantino dazu bewogen haben, endlich konkrete Forderungen zu stellen. Am 6. Juni fand im Azadi-Stadion der Hauptstadt ein Freundschaftsspiel zwischen den Männerauswahlteams von Iran und Syrien statt. Iranische Frauen, die mit Tickets zum Stadion gekommen waren, wurden am Eintritt gehindert, mindestens zwei festgenommen. Diese Vorkommnisse erwähnt Infantino in dem Brief an den iranischen Verband.

1.000 von 100.000 Plätzen

„Enttäuschend“ sei das gewesen, schreibt er und erinnert an das Finalrückspiel der Champions League des Asiatischen Fußballverbands im November, das er besucht hat. Da waren tatsächlich iranische Frauen im Stadion, „das erste Mal seit 40 Jahren“, wie Infantino schreibt. 1.000 der 100.000 Plätze durften von Frauen eingenommen werden

Bei Open Stadiums erinnert man sich auch an das Spiel zwischen Persepolis Teheran und dem japanischen Klub Kashima Antlers. Viele Frauen hätten gern dafür Karten gekauft. Das war aber nicht möglich. „Es war eine Art Show“, schreibt die Aktivistin, die ungenannt bleiben möchte. „Ein paar handverlesene Gäste waren da und ein paar Frauen, die man noch schnell reingelassen hat. Ich weiß nicht, warum Infantino dem Verband die Show abgekauft hat“, so die Aktivistin weiter, denn im Anschluss habe sich nichts getan. Nach ein paar Monaten hat er wohl eingesehen, dass nichts dahinter war. „Das hat er auch beim Treffen mit uns erwähnt.“

Für den Umgang mit dem Iran musste Infantino in der Vergangenheit viel Kritik einstecken. Sein erster Besuch als Fifa-Präsident im Iran fand im März 2018 statt. Teil des Besuchsprogramms war das Teheran-Derby zwischen Persepolis und Esteghlal. Bevor das Spiel begann, wurden mehr als 30 Frauen festgenommen, die versucht hatten, ins Stadion zu gelangen. Die Liveübertragung eines Pressegesprächs mit Infantino wurde abgebrochen, nachdem ein Journalist wollte, was der vom Stadion-Bann für Frauen halte.

Vor allem Häme

Dennoch veröffentlichte die Fifa anlässlich der Visite nicht viel mehr als ein Foto, das zeigt, wie Infantino dem Staatspräsidenten Hassan Rohani ein mit dessen Namen beflocktes Trikot überreicht hat. Auch die Worte, die Infantino zum iranischen Frauenfußball zu sagen hatte, brachten ihm vor allem Häme ein. Bei einem Empfang würdigte er die über 20.000 Fußballerinnen im Land und soll gesagt haben: „Ein paar Vertreterinnen von ihnen sind ja heute hier und ich muss sagen, sie sehen sehr gut aus.“

Nun spricht Infantino beinahe schon Klartext im Umgang mit dem Iran. Doch eines fehlt in seinem Brief. Was passiert, wenn sich doch nichts tut im Iran? Für Open Stadiums gehört neben dem Ultimatum eine Bestrafung zu den Forderungen an die Fifa. Ausschluss von der WM-Quali? „Alles, was die Fifa-Regularien hergeben“, meint die Aktivistin.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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11 Kommentare

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  • Ich will die Situation im Iran nicht verteidigen, ... und nun kommt ein kleines "aber":



    Wie sieht es eigentlich in Saudi-Arabien und anderen Staaten der Region aus?



    Dürfen Frauen dort Fußballspiele der Männer besuchen?

    Hinter diesem Vorstoß Infantinos vermute ich eher ein Einreihen ins derzeitige Iran-Bashing, als die Intention tatsächlich etwas ändern zu wollen.

    • @Stadtkind:

      Um die Eingangsfrage zu beantworten: In Saudi-Arabien dürfen Frauen seit Anfang 2018 in einige Stadien. Es gibt von den Männern getrennte "Familienbereiche".

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Stadtkind:

      "Hinter diesem Vorstoß Infantinos vermute ich eher ein Einreihen ins derzeitige Iran-Bashing, als die Intention tatsächlich etwas ändern zu wollen."

      Ich denke, dass man ein totalitäres, aggressives, menschenfeindliches und Frauen jeglicher Freiheit beraubendes Regime gar nicht genug "bashen" kann.

      Aber wenn So denken, dann sehen Sie es doch so:

      Da tut einer aus möglicherweise falschen Gründen etwas Gutes.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Ja, ja, unsere blinden Flecken, Folge 2019/06:

        Neben dem Regime wird natürlich - und zuerst - die Bevölkerung getroffen. Das alte Lied. Weswegen ich beispielsweise meinen bislang verheimlichten Wunsch, Amiland plattzumachen, zügele. Es trifft die Menschen. Ohne Ansehen der Person. Blöd aber auch.

        Mir persönlich ginge es so, dass ich eine Figur wie Infantino nicht zum Freund haben möchte. Bei ihm fällt mir stets der Begiff "Charaktermaske" ein ...

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Auch wenn ich Falken interessanter als Tauben finde, rede ich nicht einem Krieg oder einer Intervention das Wort.

          Es ist mir klar, dass die deutsche Regierung den Iran aus geschäftlichen Gründen hätschelt. Das macht sie ja bei bei anderen Regimen nicht anders.

          Und der Linken fällt zum Iran regelmäßig nur ein, dass er das nächste Opfer der USA wird. Folter und andere massive Menschenrechtsverletzungen, nie gehört.

          Zu Ende gedacht: Natürlich wäre im Falle eines Krieges die Bevölkerung betroffen. Wie in jedem Krieg. Wie in Syrien oder wie beim Niederschlagen von Nazideutschland.

          Aber wie gesagt, kein Falke.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @88181 (Profil gelöscht):

            Wolle Absolution, hä?

            • 8G
              88181 (Profil gelöscht)
              @76530 (Profil gelöscht):

              Eigentlich nicht.

              Ich bin eben nur kein Anti-Amerikaner. Und ich hege auch nicht den Wunsch, dieses Land anzugreifen oder gar auszulöschen.

              Ich glaube der Menschheit wäre mit der Fantasie, es hätte nie ein Deutschland gegeben, besser gedient.

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @88181 (Profil gelöscht):

                Als Nachschlag noch den als Exquisit-'Betthupferl': soeben habe ich die Nachrichten auf ZDF gesehen.

                Bei der Meldung über Zustände in texanischen Gefängnissen ist mir die Galle hochgekommen. 40 - 60 Kleinkinder in einem Raum. Einem Raum, in dem sie schlafen, essen und kacken. Zahnbürsten und Seife: Fehlanzeige. Ohne Intimsphäre. Ohne Hygiene.

                USA FIRST. Erstaunlich, dass Menschen so etwas moderieren können. Lautes Schreien aus Wut und Ohnmacht wäre die einzig angemessene Reaktion.

                Amerikanische Realität. Wenn das unsere "Freunde" sein sollen: Unsere "Feinde" können kaum schlimmer sein. Milliarden für eine Mauer haben sie, aber kein Geld für hygienisch tolerable Zustände für Kinder, die zu ihren Verwandten in die USA wollen und eingesperrt werden. Das muss wohl FREIHEIT sein. Die Freiheit von Verantwortung und zu Vernichtung.

                Ich werde ab jetzt jede Debatte über Anti-Amerikanismus sein lassen. Ich bin dann gerne Anti-Amerikaner aus der Distanz. Und die Pro-Amerikaner sollen meinetwegen ein gemeinsames Schaukeln bestimmter Körperteile betreiben.

                Als früh traumatisierter Mensch sage ich: meine Traumata waren im Vergleich zu diesen gottverlassenen Kindern putzige Launen der deutschen Un-Kultur.

                Scheiss Amis. Scheis Atlantiker.

                Habe fertig.

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @88181 (Profil gelöscht):

                Mir fehlt der Selbsthass, um Ihnen hier zustimmen zu wollen. Auch in Krautland gibt es bekanntermaßen solche und solche. Ärsche und Schätze.

                Auch verstehe ich in diesem Kontext überhaupt nicht, dass Sie von Anti-Amerikanismus sprechen. Ich schrieb hier klar und vernehmbar, dass es Menschen ohne Ansehen der Person träfe, wenn das Land platt gemacht würde.

                Das Glück war in meinem Leben ein höchst unzuverlässiger Geselle. Bei Jauch fehlten mir einst 1,8 Sekunden auf den Stuhl zur Seligkeit.

                Die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf jene Amerikaner träfe, die ich lieber unter der Erde sähe, liegt im unteren homöopathischen Bereich. Die notwendigen finanziellen und waffentechnischen Mittel fehlen mir ohnehin.

                Und da Fantasien noch nicht strafbar sind (ein schönes Bild dazu aus dem Film "Zabriskie Point", in dem die Protagonistin sich vorstellt, wie die Villa Ihres Chefs in die Luft fliegt ... ein Schmaus für Augen und Ohren, zumindest für Pink Floyd Fans), sehe ich keinen relevanten Einwand gegen meine Aussage von vorhin.

                • @76530 (Profil gelöscht):

                  Ihre persönliche Empfindung "Amiland plattzumachen", kann @Jim Hawkins schon als Antiamerikanismus auffassen.



                  Oder glauben sie, dass es erst dann berechtigt ist von Antiamerikanismus zu sprechen, wenn eine Zerstörung in die Tat umgesetzt worden ist. Das wäre dann allerdings eine ganz neue Definition des Begriffs. Da ich ihren Wunsch so deute, dass sie damit die Wirkmacht des kapitalistischen Systems USA meinen, sehe ich keinen Antiamerikanismus bei ihnen. Ich gebe ihnen Absolution.

                  • 7G
                    76530 (Profil gelöscht)
                    @APO Pluto:

                    Um es kurz zu machen: er kann - und darf dies - selbstredend. Kein Dissens deswegen. Jim Hawkins und ich streiten uns gerne über manche politische Gräben hinweg. Unserer Sympathie füreinander tut dies keinen Abbruch und wir bemühen uns weiterhin um Geschmeidigkeit.

                    In Ihrer Deutung meines Wunsches des "Plattmachens" (natürlich eine Überzeichnung) haben Sie Recht. Es geht mir um das System. Dass dazu einige Personen gehören, die von ihm profitieren, ist das Eine. Und eine größere Anzahl von Duldern, obwohl sie nicht davon profitieren. Von mir haben und hätten sie nichts zu befürchten - außer spitzzüngigen Kommentaren. Die waren bislang noch nicht tödlich.

                    Danke für Ihre Großherzigkeit in Sachen Absolution. Ich versuche mir das mal zu merken, falls ich zukünftig etwas zu beichten habe. ^^