Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Gourmet aus der Dose
Lissabon liegt voll im Trend, touristisch und kulinarisch. Neben Sternerestaurants ist dort längst etwas anderes Kult: die Fischkonserve.
W eiße Stadt am Meer auf sieben Hügeln erbaut, einst glänzende Seefahrermetropole in der sich nostalgische Straßenbahnen die Hügel der Altstadt hinauf quälen. Stadt des Fados, dieses musikalische Universum an Gefühlen mit seiner Sehnsucht nach besseren Zeiten. Ein Fado könnte bald den Niedergang dieser alten, europäischen Stadt besingen. Denn mit steigenden Touristenzahlen wächst auch das Interesse der Investoren. Einwohner werden aus zentralen Vierteln verdrängt. Lissabon liegt im Trend, touristisch und kulinarisch, in neuen Sterne-Restaurants, aber auch traditionell.
Zum Beispiel süße Eiersahnecreme auf knusprigem Blätterteig, die berühmten „Pastéis de Nata“. Ihre Herstellung in der Confeitaria Pastéis de Belém – täglich 25. 000 Törtchen – wird als Familiengeheimnis gehütet. Was die Törtchen noch verlockender macht. „Pastéis de Nata“ gibt es in Lissabon an jeder Ecke, aber nirgendwo ist die Schlangen der Käufer so lang wie vor der Confeitaria neben dem Kloster dos Jerónimos, die in keinem Reiseführer fehlt.
Mindestens so geschmacksangebend wie die köstlichen Törtchen ist die Sardine. Die Fischkonserve ist längst Kult. Schließlich stecken in den Dosen im Idealfall nichts als frischer Fisch und gutes Olivenöl und keinerlei Konservierungs- oder Farbstoffe. Die Herstellung von Fischkonserven ist eine der ältesten Industrien im Land. Und die Sardine ist, neben Makrele, Aal oder Thunfisch, ihr Kerngeschäft.
„Die goldene Ära der Fischkonserve war in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, danach wurde ihr Ruf schlecht“, sagt Victor Vicente. Sein Restaurant Can the Can, auf dem zentralen Terreiro do Paço, würdigt die Dose. Selbst der riesige Kronleuchter des Can the Can ist aus Sardienendosen. Der Grafiker Victor ist ihr Fan. „Viele der Dosen sind kleine Kunstwerke“, sagt er und zeigt seine beeindruckende Sammlung grafisch schön gestalteter Dosen. „Zu Ehren ihrer unbekannten Designer in den zahlreichen Konservenfabriken Portugals.“ Manch altes Motiv hat in den vergangenen Jahren einen neuen Anstrich bekommen, zahlreiche Dosen sind in bedrucktes Papier verpackt oder leuchten in frischen Farben.
Die Industrie umfasste in den Dreißigerjahren rund hundertfünfzig Fabriken, heute sind es noch etwa zwanzig Betriebe. Pro Jahr werden in Portugal mehr als 50. 000 Tonnen Fischkonserven hergestellt, schätzungsweise 300 Millionen Dosen. Knapp zwei Drittel davon werden exportiert. „Die Verarbeitung und der Fang machen die Qualität aus“, erklärt Vicente . „Ein guter Dosenfisch zerfällt nicht, wenn man ihn aus dem Öl nimmt. Portugiesische Konserven kosten zwar doppelt so viel wie die asiatischen, „aber sie halten fünf Jahre und sind köstlich“.
Konserven treffen auf Gourmet und erzählen schmackhaft Geschichten und Geschichte:
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