piwik no script img

Kolumne Aufgeschreckte CouchpotatoesAus der Zeit gefallen

Edith Kresta
Kolumne
von Edith Kresta

Das Institut du monde arabe in Paris ist ein Prestigeobjekt französischer Außenpolitik und irgendwie von gestern. Ein Besuch lohnt sich trotzdem.

Blick über Seine und Notre Dame von der Dachterrasse des Institut du monde arabe in Paris Foto: imago/viennaslide

D ie neunte Etage des Institut du monde arabe (Ima) in Paris lohnt sich immer. Auf der großen Dachterrasse liegt tout Paris dem Besucher zu Füßen: Notre-Dame, die Seine und die Ile Saint-Louis bis zum Friedhof Père Lachaise.

Der Architekt Jean Nouvel hat den Südteil des Gebäudes mit einer Glas- und Aluminiumfassade aus Irisblenden bedeckt. Je nach Lichteinfall sollen sich die computergesteuerten Blenden öffnen oder schließen und im Innern wunderbare Lichtreflexe erzeugen. Die Mechanik funktioniert nicht mehr. Das ist durchaus symptomatisch für dieses Schaufenster der orientalischen Zivilisation in Paris.

Arabische Staaten vom Maghreb bis zum Golf sollten das ambitionierte Institut mitfinanzieren: 60 Prozent Frankreich, 40 Prozent die 22 Staaten der Arabischen Liga. Aber die Geldgeber im Nahen Osten lassen sich mahnen, und mit dem Arabischen Frühling sind wichtige Geldquellen ausgefallen. Das im Jahr 1994 fertigestellte Ima ist Teil der französischen Außen- und Handelspolitik mit wichtigen arabischen Partnern. Als kulturpolitisches Instrument der Integration der Einwanderer hat es nie funktioniert, trotz Sprachlabor, Bibliothek, Kino.

Auch Touristen finden selten hierher. Ausstellungen über „die Gärten des Orients“, aber auch arabische Kalligrafien und Ornamente sind in Zeiten von Terror, Krieg und Dschihadismus wenig interessant. Gestrig ist auch das Museum mit Exponaten aus vorislamischer Zeit bis zur Hochblüte der araboislamischen Wissenschaften und Künste. Daran hat auch der neue Chef, Jack Lang, ehemaliger Kulturminister und Mitbegründer des Ima, bislang nichts geändert.

Unter den wöchentlichen Diskussionsrunden wird auch über den Arabischen Frühling, Dschihadismus und IS diskutiert, aber es dominiert das Motto: „Groß war die Vergangenheit!“

Fahren sie also am besten gleich eintrittsfrei in den neunten Stock. Genießen sie die Dachterrasse beim libanesischen Vorspeisenteller oder Pfefferminztee mit orientalischem Gebäck aus Mandeln und Pistazien. Das ist arabische Kultur in ihrer besten Tradition!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Edith Kresta
Redakteurin
Schwerpunkte: Reise und Interkulturelles. Alttazzlerin mit Gang durch die Institutionen als Nachrichtenredakteurin, Korrespondentin und Seitenverantwortliche. Politologin und Germanistin mit immer noch großer Lust am Reisen.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!