Kolumne Apocalypse Now: Berlin und seine Vögel
Der Autor Jonathan Franzen ist skeptisch ob der vielen Bekenntnisse gegen den Klimawandel. Die Beobachtung von Vögeln ist seine Spezialität.
Im März schrieb Jonathan Franzen einen sehr langen Text für den New Yorker, er war vielleicht nicht direkt als sehr zeitiger Mahnruf gegen den Hype um den Klimagipfel in diesen Tagen in Paris gemeint, aber faktisch war er dies doch: ein fast verzweifelter, im Ton lakonischer Bericht über die Lage des Umweltschützerischen in der Welt.
Des berühmten Schriftstellers These: Alle Welt (Hipster vor allem, mit ihnen die politischen Akteure, the global climate jetset, etc.) spreche über den Klimawandel und dass er verhindert werden müsse. Denn sonst überlebe niemand. Aber mit diesem Gerede gehe verloren, was seit Jahrzehnten schon rührig sei. Wer vor allem. Nämlich Vogelschützer.
Okay, die Beobachtung von Vögeln ist Franzens Spezialität, er findet bei Ornithologischem seine Ruhe, seine Balance. Neulich, auf der Insel Mainau bei einer Preisverleihung an ihn, sagte er, manchmal wisse er morgens nicht, ob er sich lieber dem bird watching widmen solle oder doch seiner Arbeit, dem Schreiben. Insofern haben Menschen, die sich um die Sauberkeit ihrer Flüsse sorgen, um Vögel, Bienen überhaupt alles Getier und Gelebe in ihrer unmittelbaren Umgebung, beim Autor von „Korrekturen“ einen schweren Stein im Brett.
Franzen beklagte in seinem Text „The Other Cost of Climate Change“, dass diese lokalen, eher unpolitisch gesinnten Initiativen moralisch einen schier unguten Leumund haben. Kümmern sich um ein paar Vögel!, wollen nur, dass Bienen summen!, und im Fluss planschen! Der Vorwurf lautet: Diese Initiativen sehen nicht jetsettig aus, sie pochen nicht auf das allgemeine Wohl, sondern hauptsächlich auf das lokale Besser- und Schönerergehen.
Ist das wirklich die Crux aller politischen Klimawandelmühen? Dass man das Große und Ganze im Auge behält und sogar in angesagten Cafés über den Stand der Verhandlungen in Paris informiert? Darüber trotzdem vergisst, dass jede Schülergruppe, die sich für eine Renaturierung von Flüssen einsetzt, jede Konfirmanden- und Kommunionsgruppe, die kleine Gärten unterhält, politisch nicht geringeren Rang beanspruchen kann? Allein: Sie tun es nicht, um der Welt politisch zu gefallen. Oder zu missfallen.
Intensives Gezwitscher
Sie wollen nur, dass es den Tieren und Pflanzen besser bzw. gut geht. Und das, auch dies recherchierte Franzen, nicht allein in unseren Nachbarschaften. In Costa Rica existierte ein politisch-ökologischer Versuch einer Klimawandelinitiative, die Bevölkerung, die etwa durch Rodungen von der Verwüstung der Natur profitierte, so einzubinden, dass sie mit der Ausweitung von Ökoparks auch von diesen profitierten, von und mit ihnen leben konnten.
In Berlin, so Franzen nebenbei, schätze er den Vogelreichtum in der Stadt. Recht besehen ist durch das viel zu warme Dezemberklima aus Hinterhöfen, wo es noch grüne Busch- und Rankwerkreste gibt, noch intensives Vogelgezwitscher zu hören. Partout geht es für sie alle nicht gen Süden – sie versuchen sich einzurichten ins metropole Miteinander. Eine Kinderinitiative in Neukölln hat neulich verhindert, dass diese Wandbegrünungen abgerissen werden – Lebensraum für Vögel. Jetzt zirpt es weiter. Das klingt sehr schön.
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