Kolumne American Pie: Musikstars mit Football-Phobie
Die Super Bowl-Halbzeitshow war lange ein begehrter Gig. Seitdem die NFL politische Proteste abstraft, ist sie nur noch schwer vermittelbar.
W as man weiß: Die nächste Super Bowl trägt die römische Zahl LIII, weil es die 53. Auflage des größten Einzelsportereignisses der Welt ist. Sie wird stattfinden am Sonntag, dem 3. Februar, in Atlanta. Wer im Endspiel der National Football League (NFL) gegeneinander antritt, das wird am Sonntag in den Halbfinalpartien Kansas City Chiefs gegen New England Patriots und New Orleans Saints gegen Los Angeles Rams ausgespielt. Was man noch weiß: In der Halbzeitpause auftreten werden Maroon 5, Travis Scott und Big Boi.
Das weiß man allerdings erst seit Neuestem. Es gab zwar lange schon Gerüchte und Spekulationen, wer in diesem Jahr „Halftime Show“, jenes 13 Minuten lange Schaufenster der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, bestreiten werde, aber erst am vergangenen Sonntag kam die offizielle Bestätigung durch die NFL.
Normalerweise steht Monate im Voraus fest, wer den obligatorischen Kulturbeitrag zur Gladiatorenshow leisten darf. Doch diesmal wurde die Besetzung der Halbzeit-Bespaßung zum Politikum – und zum Problem für die NFL: Variety und andere Entertainmentmagazine berichteten immer wieder, dass die umsatzstärkste Profiliga der Welt Schwierigkeiten hatte, Künstler zu finden, die bereit waren aufzutreten.
Pink und Rihanna, berichtete die Presse, hätten abgesagt, irgendwann wurde der Job wie Sauerbier angeboten. Ein historisch einmaliger Vorgang, war die „Halftime Show“ doch traditionell der begehrteste Gig im Popbusiness, obwohl die auftretenden Künstler noch nicht einmal eine Gage bekommen. Mehr als 100 Millionen Fernsehzuschauer allein in den USA, geschätzte 800 Millionen weltweit waren aber selbst für Madonna, Prince, Lady Gaga, U2, Coldplay, Beyonce, die Rolling Stones oder Bruce Springsteen ein schlagendes Argument, einige ihrer Hits zu trällern.
Erzkonservative NFL
Ein Argument, das diesmal aber offensichtlich nur eine eher farblose Band wie Maroon 5 überzeugen konnte. Zugegeben, in den USA ist die Combo aus Los Angeles eine große Nummer mit mehreren Nummer-eins-Hits, aber im Vergleich zu einem Justin Timberlake, der im vergangenen Jahr dran war, wirkt Sänger Adam Levine doch eher glamourfrei.
Sich dessen bewusst, waren Maroon 5 in den vergangenen Wochen hinter den Kulissen auf der Suche nach Co-Stars, die ihnen zur Seite stehen sollten – und handelten sich ebenfalls eine Abfuhr nach der anderen ein. Mehr als ein halbes Dutzend Künstler wollten nicht mit Maroon 5 auf die Bühne, darunter – so spekuliert die Presse – Mary J. Blige, Migos und Andre 3000, eine Hälfte der aus Atlanta stammenden Lokalheroen Outkast.
Auch Usher und Nicki Minaj, die schon mal bei Halbzeit-Shows dabei waren, sagten ab. Selbst die Rapperin Cardi B, die noch im vergangenen Jahr auf dem Maroon-5-Hit „Girls Like You“ als Gaststar erschien, ließ sich nicht überzeugen. Am Schluss willigten immerhin die zweite Outkast-Hälfte Big Boi und der Rapper Travis Scott ein. Der aber sagte wohl erst zu, als die NFL versprach, eine halbe Million Dollar für Sozialprojekte zu spenden.
Schlechter Ruf durch Kaepernick
Der Grund für die vielen Absagen: Colin Kaepernick. Der seit zwei Jahren arbeitslose Quarterback ist zum Symbol dafür geworden, wie rigoros die erzkonservative NFL politische Meinungsäußerungen ihrer Spieler sanktioniert. Der ehemalige Star der San Francisco 49ers findet – trotz offensichtlich ausreichender sportlicher Fähigkeiten – keinen Job in der NFL mehr, weil er 2016 begonnen hat, während der Nationalhymne zu knien, um gegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit zu protestieren.
Ein Beispiel, das Schule machte. Bis die NFL – aus Angst vor ihrem vorzugsweise weißen und konservativen Publikum und einem über Twitter pöbelnden Präsidenten – die Proteste verbot.
Deshalb wollen die meisten Popstars nicht in einem Atemzug mit der NFL genannt werden. „Niemand will mehr mit der NFL assoziert werden“, zitiert Variety einen Insider und berichtet, dass selbst die Interpretation der Nationalhymne in Gefahr ist. Während einst Cher, Whitney Houston, Alicia Keys oder Maria Carey ihren Ruhm mehrten, indem sie das „Star-Spangled Banner“ mit atemberaubenden Koloraturen versahen, will nun keiner mehr das „land of the free and home of the brave“ besingen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag