Kolumne American Pie: Überaltert, überteuert
Ein 39-Jähriger, der ein Jahr wegen Dopings gesperrt war, ist der Hoffnungsträger der New York Yankees. Das zeigt den Zustand des Baseballteams.
4 8.469 Zuschauer waren gekommen, um bei der Rückkehr des berühmten Betrügers dabei zu sein. Als Alex Rodriguez an die Homeplate schritt, um erstmals seit 557 Tagen an einem offiziellen Baseballspiel teilzunehmen, schien eine kollektive Amnesie ausgebrochen im Yankee Stadium, das zum Saisonauftakt nahezu ausverkauft war. Ein herzlicher Applaus empfing den Dopingsünder, nur vereinzelte Buhrufe mischten sich in die Ovation, einige standen sogar auf, um so ihren Respekt zu bekunden. „Ich liebe unsere Fans“, sagte Rodriguez nach dem Spiel.
Das war übrigens verloren gegangen. 6:1 hatten die Toronto Blue Jays gewonnen und den Fans mit dem kurzen Gedächtnis aufgezeigt, dass es eine lange, niederschmetternde Spielzeit werden könnte für ihre geliebten New York Yankees. Die Mannschaft ist überaltert und überteuert, der Säulenheilige Derek Jeter hat sich nach der letzten Saison in den Ruhestand verabschiedet. Es müssten sich schon alle Experten irren, wenn die Yankees einen weiteren zu ihren 27 World-Series-Titeln hinzufügen könnten. Tatsächlich wäre in diesem Jahr schon die Playoff-Qualifikation eine riesige Überraschung für den so erfolgsverwöhnten Klub.
Für diesen erbärmlichen Zustand ist nicht zuletzt auch Rodriguez verantwortlich. Der Star, der einst den Heldennamen A-Rod trug, hat sich in den steroidverseuchten A-Roid verwandelt. Dass er mit seinen Dopingvergehen, seinem notorischen Leugnen und seiner Rekordsperre von 162 Spielen nicht gerade zur Imageverbesserung der Yankees beigetragen hat, ist dabei nur ein Kollateralschaden. Schwerer wiegt der insgesamt 275 Millionen schwere Rekordvertrag, den er im Jahr 2008 aushandeln konnte.
An den finanziellen Verpflichtungen knabbern die Yankees noch heute: Jeweils über 21 Millionen wird Rodriguez in den kommenden drei Jahren verdienen – und schränkt damit die Möglichkeiten seines Arbeitgebers, gute Alternativen zu verpflichten, entscheidend ein. Denn beim Bayern München des Baseball sitzen die Dollars nicht mehr so locker.
Seit dem Tod des berüchtigten Patriarchen George Steinbrenner vor fünf Jahren haben seine Söhne Hank und Hal das Ruder übernommen und finanzielle Vernunft verordnet. Mittlerweile stellen die 276 Millionen Dollar, die die Los Angeles Dodgers ihren Profis zahlen, die 216 Yankees-Millionen in den Schatten. Unter dem alten Steinbrenner hätte es so etwas nicht gegeben.
Kein Wunder, dass die Yankees den mittlerweile 39-jährigen Rodriguez loswerden wollten. Am liebsten hätten sie ihn zum Sportinvaliden erklären lassen, dann hätte die Versicherung das Gehalt übernommen. Das wusste Rodriguez zu verhindern und zwang Yankees-Cheftrainer Joe Girardi so, ihn wieder in die Mannschaft einzubauen. „Wir leben in einer Gesellschaft, die den Menschen zweite und dritte Chancen gibt“, stellte Girardi fatalistisch fest, „und vierte und fünfte Chancen.“
Ob Rodriguez diese Chancen sportlich wird nutzen können, das ist allerdings fraglich. Schließlich ist er nicht nur wegen seines Alters, sondern auch dank diverser Hüftoperationen und Knieverletzungen nur noch ein Schatten seiner selbst. Dass er zum Auftakt gegen Toronto mit einem Hit und einem Walk noch zu den besten Akteuren seines Teams gehörte – das allerdings sollte den applaudierenden Fans der New York Yankees wirklich zu denken geben.
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