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Kolumne Alles Bio?2C-B und GBL

Kolumne
von Julia Seeliger

Was so simpel gebaut ist wie Alkohol, kann nicht gefährlicher sein, denken die Leute.

I ch hab's ja Silvester mal mit ganz wenig Alkohol probiert. Hat super geklappt, ich war die ganze Zeit in der Lage, SMS zu schreiben, und hab niemanden beleidigt oder sexuell belästigt. Und auch keine Böller angezündet. Unten auf der Straße marodierten die Krawalltouristen.

Alkohol gilt als ungefährlich. Vielleicht, weil es im Vergleich zu anderen Drogen eine so simple Strukturformel aufweist. "Was so simpel gebaut ist, kann nicht schädlich sein", denken sich die Zensoren vom Betäubungsmittelgesetz wohl und lassen den gefährlichen Stoff draußen – obwohl er da von den Wirkungen her auf jeden Fall reinmüsste. Freundliche Stoffe wie LSD, 2C-B, Zauberpilze aber sind verboten. Das ist doch nicht gerecht!

Warum macht der Spiegel nicht mal mit "Volksdroge Alkohol" anstatt mit "Volksdroge Cannabis" auf? Und nicht nur da: Wenn ich mir so reinziehe, was schon alles Böses in den Medien über das flauschige Ecstasy geschrieben wurde, macht mich das einfach nur traurig.

privat

JULIA SEELIGER ist Autorin der taz.

Wer illegalisierte Drogen konsumiert, ist zahlreichen Zuschreibungen ausgesetzt. Durch die Umwelt, die Angst vor dem Unbekannten hat. Die ihre Vorurteile bestätigt sehen will und andere abwerten möchte. Über Drogen redet man medial nur in Bekenntnisform. Hinausgehend über ein "hat Stoff X konsumiert" kommt kaum mal eine Botschaft rüber. Bei Helene Hegemanns Roman ging es auch nur um die Berghain-Geschichten.

Ein Skandal-Thema, ein Elternangstthema, bei dem ein rationaler Diskurs kaum möglich ist. Meine Mutter schickte mir eine Zeit lang Zeitungsartikel, in denen über neue "Erkenntnisse" zur Gefährlichkeit von Cannabis berichtet wurde. Danke, Mama – und jetzt? Das Leben ist gefährlich, und ich wohne auch an einer großen Straße mit viel Feinstaub-Output.

Ganz skurril wird es bei Geschlechterfragen. Drogen sind ja eh nur was für Männer, nicht? Die sind hart und schädigen ihren Körper gerne. Frauen, diese armen Wesen, können es sich ja gar nicht leisten, bewusstlos in der Gosse zu liegen. Klischees über Klischees. Knalligstes Beispiel: Bei der zweifellos eher für Fortgeschrittene gedachten Droge GBL wird gern davon gesprochen, sie sei eine "Vergewaltigungsdroge". Dabei ist das Problem die Heimlichkeit, der Übergriff und der Vergewaltiger – und nicht der Stoff.

Und das Setting. Bin ich mit Freunden zusammen? Oder bin ich allein in einer Assi-Disco mit Aufreißertypen, die Frauen ins Koma drogen wollen, um sie dann abzuschleppen? Klassisch machen die das ja mit Alkohol. Es ist nicht der Stoff, es ist der alltägliche Sexismus und der Gedanke von manchen, man könnte sich andere Menschen einfach nehmen.

Das Drogenmonster ist das Gentechnikmonster der Konservativen. Und "konservativ" geht hier weit über die Parteigrenzen hinweg. Angst, Angst, Angst! Wie das Kaninchen vor der Schlange.

Ist ja so: Über Drogen kann man gar nicht genug schreiben. So viel Unsinn, wie andere da in die Welt setzen, kann man gar nicht ausgleichen. Hat man ja auch an Amy Winehouse gesehen. Woran isse gestorben?

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19 Kommentare

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  • H
    Hypothalamus

    Ich bin für Oxytocin-Freigabe und das sofort.

  • E
    Einfaltspinsel

    Einerseits gebe ich Ihnen Recht, Frau Seeliger. Drogen gehören in puncto Schädlichkeit, Spaßfaktor, Userverhalten, jur. Einordnung etc ins richtige Verhältnis gerückt. Aufklärung tut Not, kein Zweifel. Auf der anderen Seite tun Sie so, als wenn jemand, der sehr genau weiß, wie welche Droge wirkt, sie auch nach seinem Spaßempfinden anwenden kann. Sie selbst dienen hier ja immer einzig und allein als Anschauungsobjekt, und so unterläuft Ihnen der immer gleiche Fehler von sich auf andere zu schließen, wobei Sie es sich nicht nehmen lassen, ganz klar zu unterscheiden zwischen "Ihresgleichen" - verantwortungsvollen Usern - und "Assis", labilen und anderen zwielichtigen Gestalten.

     

    Frauen, die Opfer von Liquid Extasy-Attacken mit nachfolgender Vergewaltigung wurden und werden, machen Sie dabei so en passent zu Menschen, die es nicht anders verdient haben, denn niemand zwingt sie in derlei "Assi"-Discos zu gehen, wo frau damit rechnen muss, heimlich was in den Drink geschüttet zu kriegen. Da frag ich mich , ob Sie noch ganz bei Trost sind, Ihnen evtl. Ihre hippen Partydrogen nicht doch schon a bisserl das Gehinrn vernebelt haben. Sie verirren sich leider immer wieder bei Ihrem Bemühen die richtigen Argumente Pro-Legalisierung aller Drogen zu finden, in Richtung: der/die hat eben selbst schuld, wenn er/sie nach und durch Drogenkonsum abschmiert.

     

    Das ist nicht nur ein Ausweis von peinlicher Arroganz (haben Sie das wirklich nötig?) und elitärer Menschensicht, sondern sowieso schlichtweg falsch.

     

    Ein Mensch kann lange mit einer Droge gut klar gekommen sein, der Missbrauch beginnt schleichend, heimlich, unsichtbar. Dazu genügt nur ein kleiner, gemeiner Wink des Schiksals, liebe Frau Seeliger. Beschäftigen Sie sich doch mal zB mit Künstlerbiografien, da würden Sie ohne Ende fündig, um an dieser Stelle mal Scharfblick zu entwickeln.

     

    Was ansonsten immer unberührt bleibt, obwohl es zum Thema gehört: Haufenweise werden jetzt schon und immerdar Drogen ganz legal direkt von Ärzten bezogen, bspw. Psychopharmaka wie Valium (heute: Diazepam), versch. Tranquilizer, Schmerzmittel wie Valeron usw. usf. - knallt alles mächtig, macht süchtig und die Pharmaindustrie freut sich. Wie gehen wir eigentlich jetzt und in Zukunft damit um?

  • HS
    Hans Scherer

    Warum ist eine harte Droge wie Alkohol legal erhältlich? Alkohol ist von der Gefährlichkeit vergleichbar mit Heroin vom Schwarzmarkt. Reines Heroin dagegen ist, abgesehen von der Abghängigkeit, kaum schädlich für den Körper (eigentlich könnte ein Heroin-Junkie 100 Jahre alt werden).

    Jetzt stellt man sich vor, es gäbe Heroin im Supermarkt. Der Aufschrei wäre groß, jedoch müsste dieser bei Alkohol mindestens genauso groß sein! Irrationale Politik eben, das zeigen schon solche einfachen Überlegungen...

    ...doch die Politik verfolgt weiter ihr Dogma von der Abstinenzphilosophie.

     

    Diskriminiert und ausgegrenzt aus der Gesellschaft, so leben die Junkies in Angst vor Bestrafung und ständiger Sorge um die Reinheit der Substanz. Wenn man schon nicht den Schwarzmarkt durch Repression in die Knie zwingen kann, dann muss ein anderer Weg gefunden werden, wie der Staat die Kontrolle über die Drogen bekommt.

  • V
    vic

    Eben, und Keith Richards ist auch schon 69 Jahre alt geworden.

  • K
    klangengel

    Nicht die Alkohol und Drogen sind extrem unterschiedlich, sondern die Menschen, die eher das eine oder das andere nehmen (oder alles zusammen). Manm muss schon genau hinsehen und -spüren. Aber Klischees anzuprangern und selbst damit rumzuschmeißen, dass es nur so spritzt, bringt kaum jemanden weiter. Die Assi-Disco mit den Aufreißertypen, das ist so ein spannendes Abziehbild. Wahrscheinlich kurdisch-türkischer Herkunft, diese ASufreißer, und sie machen es mit Alkohol, die Dumpfköpfe... Ach jee, Frau Seeliger, Sie können es einfach nicht lassen...

  • M
    mir

    Ach Du Sche*ße, was hat denn R. Boeck hier verloren??? Trollomat!

     

    Ich greife trotz sehr guter Ausbildung zu Drogen. Sie haben's nicht verstanden....

  • S
    Sandra

    Vielen Dank für diese schöne Kolumne, die mir aus der Seele spricht. Geradezu lächerlich auch der kürzlich in der taz erschienene Artikel einer Kollegin, die sich als langjährige Kifferin outete und das ungefähr so darstellte als sei sie als Junkee auf dem Straßenstrich unterwegs gewesen. Auch ich habe jahrelang täglich gekifft. Trotzdem Schule und Studium gemeistert und nun im Berufsleben angekommen. Natürlich ist der reglmäßige Konsum bzw. die Abhängigkeit von jeder Droge nichts Gutes - daher habe ich auch damit aufgehört. Dennoch bin ich sicher, dass ich wenn ich stattdessen so viele Jahre täglich getrunken hätte wohl an einer ganz anderen Stelle stehen würde. Einfach nur widerlich, diese Doppelmoral.

  • S
    Sandra

    Vielen Dank für diese schöne Kolumne, die mir aus der Seele spricht. Geradezu lächerlich auch der kürzlich in der taz erschienene Artikel einer Kollegin, die sich als langjährige Kifferin outete und das ungefähr so darstellte als sei sie als Junkee auf dem Straßenstrich unterwegs gewesen. Auch ich habe jahrelang täglich gekifft. Trotzdem Schule und Studium gemeistert und nun im Berufsleben angekommen. Natürlich ist der reglmäßige Konsum bzw. die Abhängigkeit von jeder Droge nichts Gutes - daher habe ich auch damit aufgehört. Dennoch bin ich sicher, dass ich wenn ich stattdessen so viele Jahre täglich getrunken hätte wohl an einer ganz anderen Stelle stehen würde. Einfach nur widerlich, diese Doppelmoral.

  • A
    anke

    Sehen Sie, Frau Seeliger, ich bin 14 Jahre älter als Sie. Vielleicht ist das der Grund. Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, dass die Hauptnachrichten der damals noch einzigen Fernsehprogramme mangels anderer Katastrophen mehrmals im Jahr mit der aktuellen Zahl der Drogentoten aufgemacht haben. Das war, glaube ich, Ende der 70-er, und die Zahl lag weit unter dem, was heute ein einziger Tsunami, ein mittleres Massaker oder eine KKW-Explosion an Horror liefern.

     

    Wenn konservative Politiker auch heute noch das Drogenmonster strapazieren statt des Gentechnik-Monsters, dann tut sie das vermutlich, weil sie als konservativ wahrgenommen werden wollen. Sie glauben nämlich denen, die sie selbst dafür bezahlt haben, dass sie mit ihren Umfragen herausfinden: die Mehrheit der deutschen Wähler denkt strukturell konservativ. Diese Leute, so die sich selbst bestätigende These, wollen nichts mehr als starke Führer, die ihnen Wege aus Krisen zeigen, die gar nicht existieren. Oder doch nicht existieren würden, wenn die Leute sich nur mehrheitlich angewöhnen täten, aus eigener Anschauung klug werden zu wollen und nicht dadurch, dass sie wie kleine Kinder fremder Leute Gruselgeschichten konsumieren.

     

    Nein, ich glaube nicht, dass nur Unionspolitiker konservativ sind. Und vor Monster brauche ich mich auch nicht zu fürchten. Mir genügt es anzunehmen, dass die Konservativen aler Couleur das Perpetuum Mobile erfunden haben. Dagegen nämlich würde kein Drachentöter helfen. Nicht einmal dann, wenn der sich extra für mich in ein grünes Gewand schmeißen würde.

  • T
    Toby

    Wohl wahr.

    Aaaaaaaber:

    Wenn Cognac und Gras in Apotheken nach dem Arzneimittelgesetz verkauft würden, hätten sie Beipackzettel, die unter "Nebenwirkungen und Gegenanzeigen" mit den übelsten Psychopharmaka mithalten könnten und so lang wären, daß man schon darüber nachdenken müßte, sie binden zu lassen.

    Trotzdem kann beides auch tierisch Spaß machen und bei achtsamem Konsum harmloser sein, als die Energiepolitik der letzten fünfzig Jahre.

     

    Kurzum:

    Sie haben ja recht.

  • D
    dieter

    Danke! Schöner Artikel.

  • M
    ma_il

    Ja, Alkohol ist alles andere als harmlos und der Umgang mit der Droge in der Gesellschaft diskussionswuerdig. Aber in einem Zug LSD und XTC zu verharmlosen macht das ganz sicher nicht besser.

  • M
    mir

    Danke Julia.

  • G
    groooveman

    Tja woran isse gestorben?

     

    Am Schnaps! wie die meisten Junkies ;-)

  • I
    ilmtalkelly

    I like

     

    Wenn ein Raser sich zu Tode fährt, käme keiner auf den Gedanken, sein Auto wäre schuld daran. Obwohl die Kausalität bei Drogenkonsum gleich liegt, verdreht man diese und verteufelt die Wirkung.

    Warum nehmen wir Drogen ?

  • M
    MistaBreed

    A. W. ist definitiv nicht an Drogen gestorben, soviel weiss man, was man allerdings nicht genau weiss, zumindest nicht öffentlich zugeben will, ist ob der Alkohol was damit zu tun hatte...

     

    Volksdroge Alkohol wäre zumindest wesentlich zutreffender. Ich glaube, Cannabis ist grundsätzlich harmloser als Alkohol, man vergleiche nur mal Karneval mit nem Reggae Summer Jam, wo prügeln sich die Leute? An Karneval, wegen dem Alkohol, aufm Summerjam sind alle nur entspannt.

    Ich kann auch diese komische Promillegrenzerei nicht verstehen, 0,3 oder 0,5 oder 1,1 oder sogar 1,6 Promille, aber bei einmal am Joint ziehen soll man ein (1) Jahr nicht mehr fahren dürfen? Was sind denn das für Verhältnismässigkeiten? Mal ganz abgesehen davon, was der Staat an dem Cannabis verdienen könnte, das könnte allen zu gute kommen.

    Ich bin der Ansicht, jeder sollte selber entscheiden dürfen, was er seinen Körper antuen will, oder nicht, wird jeder schon selber merken, wenn es nicht so gut ist, allerdings gehört ne gescheite Aufklärung vom frühesten Alter dazu. Meine Mutter hat es richtig gemacht und mir freigestellt, ob ich Zigaretten rauchen will, oder nicht, also tat ich das, habe allerdings festgestellt, das es weder besonders gut schmeckt, noch mir irgendwie etwas anderes gibt, daher bin ich heute erfolgreich Nichtraucher. Sobald man allerdings etwas verbietet wird der Reiz daran wesentlich höher.

  • A
    Arnold

    Danke, danke, danke - ein Plädoyer! Ein rationaler Diskurs, ehrliche und verantwortungsvolle Drogenpolitik und vor allem ein realitätsnaher Umgang in Sachen Nachwuchs!

     

    Aber vielleicht haben die Menschen einfach gern Angst, da kann mensch drüber schimpfen, und als Lösungsmittel hat sich A. auch hinreichend bewährt!

     

    Nicht aufgeben!

  • L
    lounger

    Ha! Endlich mal wieder was Lesbares über Drogen in der alten Tante taz. Auch wenn der guten Frau Seeliger entgangen ist, dass zumindest die Süddeutsche am Samstag genau ""Volksdroge Alkohol" anstatt mit "Volksdroge Cannabis"" aufgemacht hat. Gut ist Silvester ...

  • T
    Thorsten

    Kürzlich konnte man sich von der Heuchlerei und Doppelmoral der deutschen Regierung überzeugen: in einem youtube-Interview wurde Kanzlerin Merkel zu einer möglichen Cannabis-Legalisierung befragt. Sie antwortete:

    "Bei Alkohol und Zigaretten ist ein vernünftiger begrenzter Umfang nicht sofort so suchtgefährdend wie das bei Cannabis der Fall ist." Dass diese Behauptung mittlerweile wissenschaftlich widerlegt wurde (siehe etwa David Nutt 2010), stört die deutschen Machthaber wenig. Noch weniger scheinen sie die menschlichen und ökologischen Verluste des globalen Kriegs gegen Drogen zu stören.

    Wie lässt sich also rechtfertigen, für die eigene und die Gesundheit anderer desaströse Substanzen wie Alkohol und Tabak zu legalisieren, während weniger schädliche Substanzen unter Verschluss gehalten und unter Androhung hoher Strafen verboten werden? Dazu bemerkte ein gewisser Bill Hicks:

    “If you want to understand a society, take a good look at the drugs it uses. And what can this tell you about American culture? Well, look at the drugs we use. Except for pharmaceutical poison, there are essentially only two drugs that Western civilization tolerates: Caffeine from Monday to Friday to energize you enough to make you a productive member of society, and alcohol from Friday to Monday to keep you too stupid to figure out the prison that you are living in.”

    Und Terence McKenna fügt ergänzend hinzu:

    "Psychedelics are not illegal because a loving government is concerned that you may jump out the first story window; psychedelics are illegal because they dissolve phonic structures and culturally laid down novels of behavior and information processing, they open you up to the possibility that everything you know is wrong."