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Kollateralschaden der E-MobilitätMenschen, die in Autos sitzen

Während der Akku eines E-Autos laden muss, ist man zum Warten verdammt. Unser Autor hat ein paar Ideen, wie diese Zeit angenehmer werden könnte.

Die lange Leitung und die Verursachung der Wartezeit Foto: Robert Poorten/imago

S ind Sie Hotelier? Dann sollten Sie darüber nachdenken, Schalensitze anzuschaffen. Oder Sessel mit Kopfstützen! Für uns und unser traditionelles Gasthaus ist das nichts. Aber ich sage Ihnen, es gibt Menschen, die sich im Hotel dann wohlfühlen, wenn automobiler Komfort angeboten wird. Und die Zielgruppe wächst.

Ein Exemplar dieser Spezies ist mir im Spätsommer begegnet. Ein Handwerker auf Montage. Er checkte ein, bekam den Zimmerschlüssel und sagte, er gehe noch mal zum Auto. Als ich eine halbe Stunde später auf den Parkplatz kam, saß er hinter dem Lenkrad, und eine Dreiviertelstunde später – als ich von einer Besorgung zurückkehrte – immer noch.

Ich klopfte ans Fahrerfenster. „Ihr Zimmer ist fertig, wenn Sie es beziehen wollen“, rief ich durchs Glas. Der Monteur schüttelte den Kopf, seine Lippen formten ein „Alles gut.“

Menschen, die im Auto sitzen, ohne sich fortzubewegen: Man sieht sie inzwischen öfter. Oder gehört selbst dazu. Ich war vor ein paar Wochen mit dem Elektroauto im Urlaub – und musste regelmäßig Supermarkt-Parkplätze oder Autobahnraststätten für eine Ladestation besuchen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Strom kann man leider immer noch nur an Orten tanken, an denen man keine Minute länger als nötig bleiben will. So parkte ich also nachts auf dem unbeleuchteten Parkplatz eines Autohofs in der Oberpfalz, an der Rückseite einer Spielhalle neben geöffneten Mülltonnen und muss zoologische Betrachtungen über Ratten anstellen. Zeit, über die Ausstattung des eigenen Fahrzeugs nachzudenken, angefangen bei einer guten Zentralverriegelung. Auf einmal weiß ich, warum bei E-Autofahrern SUVs so beliebt sind.

Auch mit der Sitzheizung freunde ich mich in solchen Momenten an. Frage mich aber, warum der Wagen unzählige Getränkehalter hat, die auf das Maß einer 0,33-Bierflasche genormt sind – ungeeignet für Thermoskannen oder To-go-Becher.

Der Koch in mir denkt, wie man den Wagen für ein Stromlade-Picknick ausstatten könnte, vielleicht mit ausklappbarem Tisch und mobilem Espressokocher … Und wäre es nicht schön, die Scheiben auf Knopfdruck mit einem Milchglas-Effekt versehen zu können. Dann wäre das Rasthof-Ambiente ausgeblendet.

Dass E-Parkplätze an Orten mit Wanderwegen und Panoramablick liegen, wäre zwar schön, ist aber wohl völlig utopisch. Dass die Automobilindustrie ein paar neue Gimmicks erfindet, scheint wahrscheinlicher.

Ich bin sicher: Mit zunehmender Elektromobilität wird das Wesen des Autos im stehenden Zustand immer komfortabler. Werden dann ein paar abgenutzte Holzbänke im Wirtsraum noch Gäste aus ihren Autopolstern reißen?

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Jörn Kabisch
Autor
Wirt & Autor für taz und FuturZwei
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11 Kommentare

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  • Naja, länger als 25 Minuten lädt ja und kaum noch ein Auto.

  • Im Internet kommentieren kann man auch. Gasthaus, Bioladen, der erwähnte Supermarkt, Ikea. Mit 22AC findet man sich an Orten wieder, die man nie kennengelernt hätte. Der Schnellladewahn mit hingeklotztem Tankstellenambiente, ja, da kann man drauf verzichten

  • To-Go-Becher gehören nicht in ein Auto, sie gehören abgeschafft, verboten und verdammt. Wer Kaffee lauwarm und plörrig aus einem kunststoffbehandelten (damit nix durchsuppt) Einweg-Papp-Becher schlürfen möchte ist selber schuld, sollte aber nicht den Rest der Welt mit seinem schlechten Geschmack behelligen.

    • @KommissarBlind:

      Wie haben die Menschen früher den Weg zum Bus oder Auto überlebt ohne zu verdursten.

    • @KommissarBlind:

      Google mal to go Becher, die Leute verstehen darunter inzwischen meist Mehrweg.

      • @Gunnar Grannis:

        Schön wärs, aber wenn man richtig beobachtet, kann man das "meist" nicht bestätigen.

  • Köstlicher Bericht Danke



    Es ist die Gelegenheit schlechthin etwas für seine Gesundheit zu tun und die 30-60 Minuten einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen. Allerdings denke ich auch, dass bald ein paar die Geschäftsidee aufgreifen und Ladeparks mit Café oder Imbiss anbieten, so eine Art "Café Steckdose".

  • Ein warm/kalt Getränk wäre schön. Dazu noch eine Toast. Praktisch alles wofür man kein Vermögen an einer Tankstelle bezahlen muss.

  • Oder man nimmt sich ein Klapprad mit, um wenigstens etwas echte Bewegung zu genießen.



    Planen wir zeitig den Rückbau der eins(ei)tigen Auto-Infrastruktur.

    • @Janix:

      Als Radfahrer der nur gelegentlich im Mietwagen unterwegs ist ist das Meine Lösung.

      • @Gunnar Grannis:

        Lassen Sie mich raten, Sie wohnen in der Stadt?