Kohlekraftwerke in der Ukraine: Wo Luftfilter die Ausnahme sind
Emissionen aus fossilen Anlagen in dem osteuropäischen Land machen an den Grenzen nicht Halt. Trotzdem macht Kiew nichts, sagen Umweltverbände.
Beunruhigend findet das nur der 40-jährige Olexij Olijnik. 2019 hat der Mitinhaber eines lokalen Internetproviders seinen Brunnen untersuchen lassen. Das Gutachten des staatlichen Instituts für Arbeitsmedizin ergab, dass die Cadmiumwerte mehr als das Vierfache über dem zulässigen Grenzwert liegen. Seitdem holt sich Olijnik kein Wasser mehr von dort.
Aber er ist gerne bereit, Journalisten und Umweltschützern aus dem fernen Kiew die hässliche Seite des größten Kohlekraftwerks der Ukraine zu zeigen: eine nur 500 Meter von seinem Haus entfernte Grube, die als Deponie für Asche- und Schlackemüll dient. „Was aus den Rohren rauskommt, direkt in diese Grube, enthält viel Chemie, Fäkalien, Reagenzien. Alles kommt ungefiltert zuerst in diese Grube, fließt dann an meiner Haustür vorbei in den Bach Hnyla Lypa“, sagt er. „Und der bringt das Wasser weiter in den Dnister, den Nationalpark Dnjestr und von dort knapp 50 Kilometer von Odessa entfernt in das Schwarze Meer.“
Am schlimmsten findet Olejnik, „dass niemand kontrolliert, was in diesem Werk passiert und was in diesem Abwasser alles drinnen ist“. Fünf Jahre lang hätten die Betreiber verhindert, dass die staatliche Umweltinspekteure die Anlage betreten – und als Strafe umgerechnet 20 Euro zahlen müssen.
Groß und schmutzig
Das Kohlekraftwerk Burschtyn gehört dem reichsten Mann der Ukraine, Rinat Achmetow. Es gilt als das größte und gleichzeitig schmutzigste Kraftwerk der Ukraine. In den ersten acht Monaten 2021 ging knapp ein Drittel des produzierten Stroms nach Ungarn, Rumänien und die Slowakei, berichtet der betreibende DTEK-Konzern. Im gleichen Zeitraum 2020 war es sogar knapp die Hälfte. Das westukrainische Portal varianty.Iviv.ua wartet noch mit anderen Daten auf: 2018 habe das Kohlekraftwerk mit seinen 12 Blöcken und einer Kapazität von 2.400 MW insgesamt 183.000 Tonnen Schadstoffe in die Luft abgegeben.
Überhaupt ist Luftverschmutzung mindestens ein so großes Problem wie die Kontamination von Wasser. Dabei hat die Ukraine im November 2017 einen Nationalen Plan zur Verringerung der Emissionen durch große Verbrennungsanlagen verabschiedet. Er soll dafür sorgen, dass Schwefeldioxid bis zum 31. Dezember 2033 um 95, Stickoxide um 72 und Feinstaubemissionen um 97 Prozent reduziert werden.
Besserung gar nicht erst versucht
Doch die Umsetzung ist teuer. Allein 2024 und 2025 werde mehr als eine Milliarde Euro benötigt, berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur Interfax. Und weil dieses Geld angeblich nicht da ist, versucht die Regierung bereits, den Zeitraum um fünf Jahre bis 2038 zu verlängern.
Die Umweltorganisation Save Dnipro beklagt, dass die Ukraine seit 2014 auch keine Schritte mehr unternommen habe, die Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU umzusetzen, mit der die EU die Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen vermindern will. In ukrainischen Kohlekraftwerken würde ausschließlich Ruß rausgefiltert. Alle anderen Stoffe gingen ungehindert in die Umwelt.
Konkrete Zahlen nennt die Organisation Ökodia. Sie zitiert eine Untersuchung des Think Tanks Ember, nach der 72 Prozent der Flugasche, 27 Prozent des Schwefeldioxids und 16 Prozent aller Emissionen überhaupt in Europa aus der Ukraine stammen. Die Experten des Center for Research on Energy and Clean Air kommen in einer weiteren Untersuchung zu dem Schluss, dass giftige Emissionen aus ukrainischen Kohlekraftwerken 2019 1.315 Menschen in den EU-Mitgliedstaaten und 2.690 Menschen in der Ukraine das Leben gekostet haben könnten. Insgesamt setzten diese Anlagen etwa 8,7 Millionen Menschen einer Luftverschmutzung aus, die nicht den Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation entspricht.
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