Kölner Polizeipräsident über Demos: „Ich hatte immer ein bisschen Schiss“
Polizeipräsident Albers war selbst mal Demonstrant. Er erzählt vom Umgang mit Naziaufmärschen und wünscht sich mehr Verständnis für die Arbeit der Polizei.
taz: Herr Albers, Sie plädieren dafür, dass Demonstranten und Polizisten jenseits ihrer Begegnung auf der Straße miteinander ins Gespräch kommen. Warum?
Wolfgang Albers: Weil ich das Leid der Kolleginnen und Kollegen an den Sperrstellen draußen sehe. Sie setzen sich immer wieder mit den gleichen Ritualen auseinander, erleben immer wieder die gleichen Konflikte. Das gilt besonders bei Demonstrationen, die sich gegen Veranstaltungen von rechtsextremen Gruppen richten. Ich finde den Satz „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ schlimm. Ich möchte die verhärteten Fronten auflockern.
Haben Sie kein Verständnis dafür, dass es Menschen befremdlich finden, wenn Rechtsextreme unter Polizeischutz marschieren?
Ich habe für vieles Verständnis. Aber ich habe mich auch bei Versammlungen an das zu halten, was verfassungsrechtlich gewährt wird. Das hat nichts mit der Bewertung der Veranstaltung zu tun. Auch mich ekeln solche Aufmärsche an.
Sie können doch versuchen, sie zu verbieten.
Eine Verbotsverfügung gibt nur Sinn mit einer tragfähigen Begründung, die letztendlich auch vor dem Verfassungsgericht Bestand haben kann. Das muss man genau ausloten. Einfach etwas zu verbieten, um selbst fein raus zu sein, entspricht nicht meinen Vorstellungen. Aus meinem verfassungspolitischen Verständnis heraus muss ich von meinen Verbotsverfügungen überzeugt sein. Ich halte nichts davon, die Verantwortung auf die Gerichte zu schieben. Nach dem Motto: Dann hebt eben der Richter meine Verfügung auf, und dann ist der eben schuld.
58 Jahre, ist seit 2011 Polizeipräsident in Köln. Zuvor hatte der studierte Jurist ab 2002 dasselbe Amt in Bonn inne. Der gebürtige Münchner ist Mitglied der SPD.
Ist es nicht legitim, wenn Demonstranten den Nazis nicht die Straße überlassen wollen?
Selbstverständlich ist das legitim. Aber es kann nicht sein, dass eine Gruppe verhindert, dass die andere ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen kann. Gerade beim Protest gegen rechte Aufmärsche gibt es gewisse Rituale, die der Polizei ungeheuer viele Probleme bereiten. Stichwort: Verhinderungsblockade. Die kann die Polizei nicht tolerieren, weil sie auch das Versammlungsrecht der rechten Gruppierungen schützen muss.
Deshalb habe ich den Wunsch, dass es zu Auseinandersetzungsformen kommt, die nicht in die Strafbarkeit führen. Denn es ist auch für Polizisten ein Elend, wenn sie ständig Strafanzeigen gegen Menschen schreiben müssen, die ein völlig berechtigtes Ziel verfolgen, nämlich den Kampf gegen Neonazis. Das ist für uns alle nicht lustig.
Wie lautet Ihre Lösung?
Ich habe keine Blaupause dafür. Ich sehe es auch nicht als meine Aufgabe als Polizeipräsident an, den Leuten zu sagen, wie sie zu demonstrieren haben. Aber es gibt ganz viele Mittel, tiefe Ablehnung auszudrücken, ohne dass man blockiert. Da muss man schon kreativ sein. Ich weiß aber auch, dass die Szene sehr kreativ ist. Und das ist gut so. Das meine ich sehr ernst.
In Ihren jungen Jahren haben Sie selbst Demonstrationen organisiert. Haben Sie auf der anderen Seite der Barrikade nie schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht?
Anfang der 1980er Jahre habe ich in Bonn die großen Friedensdemonstrationen mitorganisiert, also diese „Latsch-Demos“, wie es in der Demo-Szene damals hieß. Ich will nicht verhehlen, wenn wir da manchmal an einer Sperrstelle standen, hatten wir schon mal einen Kloß im Magen. So nach dem Motto: Eigentlich will ich weiter, geht aber nicht, hier steht die „Staatsmacht“. Ich war aber nie in gewalttätige Konflikte verwickelt.
Sie hatten nie Stress mit den „Bullen“?
(lacht) Nein, wirklich nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich damals ein bisschen Schiss hatte. Immer wenn es brenzlig wurde, war ich weg. Allerdings war Bonn ohnehin für sein gutes und friedliches Klima bekannt. Es gab hier wenig gewalttätige Auseinandersetzungen.
Hat sich das Demonstrationsklima in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert?
Es hat sich zum Positiven geändert. Wir haben heute unendlich viele Demonstrationen, die alle völlig friedlich ablaufen. In Köln mag es in der Woche einige Demonstrationen geben, von denen Sie nichts hören. Und selbst die schwierigen Demonstrationen sind deutlich weniger gewalttätig als früher.
Was hat sich aufseiten der Polizei verändert?
Wir reden heute sehr viel mehr mit den Anmeldern und versuchen, eine Situation zu schaffen, in der wir eine gute Durchführung der Versammlung erreichen können. Solche Kooperationsgespräche führen auch bei der Polizei zu einem anderen Verständnis davon, was der Versammlungsveranstalter erreichen will. Warum will er unbedingt an diese Stelle gehen? Das ist ja der Polizei nicht immer von Anfang an klar.
Wenn das aber mal vermittelt ist, kann man auch viele Handlungen, die sich daraus ergeben, besser verstehen, und man kann besser darauf reagieren. Schwierig wird es immer dann, wenn es zu unvorbereiteten Situationen kommt.
Gibt es taktische Unterschiede beim Umgang mit Demonstranten?
Bei jeder Demonstration schaut die Polizei, wer kommt. Ich mache eine Rechts-links-Demo anders als einen Christopher Street Day. Man stellt sich immer auf die Lage ein. Wie agiert das Gegenüber? Welche Methoden hat die andere Seite, sich auszudrücken? Das ist ja unterschiedlich. Man muss auf andere Mentalitäten anders eingehen.
Vor einem Jahr gab es in Köln eine spontane Demonstration, da kamen belgische Gewerkschafter zu Ford. Die haben demonstriert wie in Belgien: Sie zogen erst einmal fünf Reifen aus dem Bus und zündeten die an. Das ist wohl in Belgien normal. Die deutsche Polizei hat es irritiert. Ich will sagen: Das sind unterschiedliche Mentalitäten. Wenn man unvorbereitet ist, gibt es Konflikte. Wenn man sich auf die Lage einstellt, klappt es besser.
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