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Koalitionsverhandlungen von SPD und CDUEin bisschen Gleichstellung

Fonds gegen Missbrauch, mehr Partnerbeteiligung beim Elterngeld und Streit beim Sexkauf: die AG Familie, Frauen und Jugend hat wenig Ambitionen.

Armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen soll der Zugang zu verschiedenen Freizeitangeboten ermöglicht werden Foto: imago

Berlin taz | Das Wort „Kindergrundsicherung“, das die Ampelkoalition auf weiten Strecken der Legislatur beschäftigte, aber letztlich zu nichts führte, kommt im Einigungspapier der AG Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie nicht mehr vor. Übrig bleibt wohl als winziges Überbleibsel der Debatte ein „übergreifendes digitales Portal“, das für alle Familienleistungen geschaffen werden soll.

Ansonsten beschränken sich Union und SPD in Sachen Kinderarmut auf handhabbare Schritte: der Kinderzuschlag soll weiterentwickelt und vereinfacht werden. Über eine Teilhabe-App soll armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen unbürokratisch der Zugang zu Freizeitangeboten im Bereich von Musik, Sport und Kultur ermöglicht werden. Und: Bei Alleinerziehenden soll das Kindergeld nur hälftig auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden.

Beim Elterngeld sollen mehr Anreize für die Partnerbeteiligung geschaffen werden, insbesondere für mehr Vätermonate in alleiniger Verantwortung. Möglich werden könnte das zum Beispiel durch eine veränderte Anzahl und Aufteilung der Bezugsmonate des Elterngelds. Die Einkommensgrenze sowie Mindest- und Höchstbetrag sollen „spürbar“ angehoben werden, bei Selbständigen sollen die Berechnungsgrenzen „flexibilisiert“ werden.

Rechte von Pflegeeltern

Für Pflegeeltern, deren Rechte generell gestärkt werden sollen, soll Elterngeld überhaupt erst eingeführt werden – ebenso der Mutterschutz für Selbständige. Dafür sollen umlagefinanzierte und andere Finanzierungsmodelle geprüft werden.

Ein zentraler Punkt des Papiers: der Fonds sexueller Missbrauch und das damit verbundene Hilfesystem sollen fortgeführt werden. Das Gesetz, das die Strukturen der Unabhängigen Beauftragten gegen sexuellen Kindesmissbrauch sichert, soll in der Umsetzung etwa in Zusammenarbeit mit den Ländern begleitet werden. Zudem soll eine Bundesförderung sogenannter Childhood-Häusern etabliert werden: Mit diesen Häusern sollen regionale, interdisziplinäre und ambulante Stellen für Kinder und Jugendliche geschaffen werden, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind.

Die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie soll weiterentwickelt werden – wie genau, bleibt offen. Ebenso sollen gleichstellungspolitische Akteure unterstützt werden – wie genau und mit welchen Mitteln, bleibt genauso offen. Immerhin steht das Bekenntnis zur Bundesstiftung Gleichstellung, die „eine wichtige Säule“ sei.

Versorgung ungewollt Schwangerer

Langfristig abgesichert werden soll zudem das Müttergenesungswerk. Mit Mitteln aus dem Sondervermögen Infrastruktur sollen Ausbau, Neubau und Sanierungen von Mutter-Kind-Kliniken unterstützt werden.

Die Möglichkeit einer „solidarisch finanzierten Abgabe von Verhütungsmitteln für Frauen und Männer“ soll geprüft werden. Ein astrein nichtssagender Satz wurde zu Schwangerschaftsabbrüchen vereinbart: „Wir wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um auch das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen“. Zwar soll die Versorgungslage ungewollt Schwangerer auf Basis wissenschaftlicher Empfehlungen unterstützt werden. Die Elsa-Studie allerdings wird nicht erwähnt.

Auf Basis der Istanbulkonvention soll das jüngst beschlossene Gewalthilfegesetz umgesetzt werden. Die VerhandlerInnen bekennen sich zu Gewaltfreiheit als Menschenrecht und wollen die Gewaltschutzstrategie des Bundes zu einem Nationalen Aktionsplan fortentwickeln. Die entsprechende Koordinierungsstelle soll gestärkt, Aufklärungs-, Präventions- und Täterarbeit unterstützt werden. Konkrete Mittel werden nicht genannt.

„Demokratie leben“

Und schließlich soll das Bundesprogramm „Demokratie leben“ fortgeführt werden. Zugleich wird eine „unabhängige Überprüfung dieses Programms in Bezug auf Zielerreichung und Wirkung“ veranlasst. Ob das Programm unter Federführung des Familienministeriums verbleibt, bleibt hier unerwähnt. Aus der AG I Inneres heißt es unterdessen, dass die Union das Programm ins Bundesministerium des Inneren umsiedeln will.

Ungeklärt sind bislang unter anderem die Familienstartzeit, also die bezahlte zweiwöchige Freistellung des Partners oder der Partnerin nach der Geburt. Dass es eine entsprechende EU-Richtlinie gibt, die umgesetzt werden muss, scheint die Union an dieser Stelle nicht weiter zu stören. Ebenso strittig ist die Einführung eines Sexkaufverbots, das die Union will, wohingegen die SPD sich auf Verfolgung von Menschenhandel und Zwangsprostitution fokussiert. Abschaffen will die Union das in der vergangenen Legislatur eingeführte Selbstbestimmungsgesetz.

Nicht oder höchstens als Randnotiz kommen Geburten und generell reproduktive Rechte vor, Alleinerziehende, queere Familien und Familienrecht. Das gesamte Papier kennt im geeinten Teil weder Binnen-I noch Sternchen.

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