Koalitionsträume in Niedersachsen: Gute Grüne, schlechte Grüne
Rot und Grün hoffen auf die FDP. Doch die Liberalen schließen die Ampelkoalition aus – wegen der Grünen. Jamaika wäre für sie aber okay.
Sie haben nicht nur rund fünf Prozentpunkte an Zustimmung verloren, sie werden höchstwahrscheinlich auch nicht an der nächsten Regierung in Niedersachsen beteiligt sein. Doch bei der Pressekonferenz am Morgen danach klammern sich sowohl Grüne als auch Sozialdemokraten noch immer an die Hoffnung, die FDP möge sich doch noch zu einer Ampelkoalition erbarmen.
„Wir sind etwas erstaunt, wie man sich an uns heran wanzt“, sagt Gero Hocker, der niedersächsische FDP-Generalsekretär. Denn seine Partei wiederholt schon seit Tagen mantraartig, dass es ein Ampelbündnis nicht geben wird. „Zu 100 Prozent nicht“, sagt Hocker. Man wolle sich nicht für eine Verlängerung der rot-grünen Koalition her geben. Schließlich sei es eines der Wahlziele gewesen, dass ebendiese Regierung abgewählt wird.
Die Gründe? Die sucht die FDP vor allem bei den Grünen. Da gebe es so viele inhaltliche Differenzen: die Autobahnen, die die Liberalen schnell bauen wollen, den Wolf oder die Inklusionspolitik, bei der die FDP alle Förderschulen erhalten will. Außerdem hätten die Grünen die FDP-Abgeordneten in der Vergangenheit als „Menschenfeinde“ bezeichnet und sie der „Hetzerei“ bezichtigt. Da gebe es „keine Grundlage“, sagt der Generalsekretär.
Wie die FDP auf die Große Koaliton drängt
Richtig ernst nehmen kann man diese inhaltliche Abgrenzung zu den Grünen jedoch kaum. „In einem Jamaika-Bündnis müsste man gucken, wie sich die Grünen bewegen können.“ Da wäre eine Zusammenarbeit für die FDP nicht ausgeschlossen. Schließlich dürfe man sich „durch Ausschließeritis nicht allen verweigern“, so der Liberale.
Gefragt, warum die FDP durch ihre Absage an SPD und Grüne eine große Koalition sehr wahrscheinlich macht, sorgte Hocker mit seiner Antwort für großes Gelächter: „Am Ende hat der Wähler einen Anspruch darauf, dass das Land gut regiert wird“, sagte er und schob dann nach, dass eine Ampel keine gute Regierung sei. „Ich glaube, dass das niemals fünf Jahre überstehen würde.“
Einen Kaffee bei Weil würde man trinken, eine Koalition werde daraus nicht, ist die klare Ansage der FDP. Grüne und SPD verweigern sich am Morgen nach der Wahl dieser Realität. „Es gibt viele Schnittmengen zur FDP“, betont etwa Meta Janssen-Kucz, die Landesvorsitzende der Grünen. Die FDP müsse die von ihnen propagierte neue Ernsthaftigkeit auch wirklich ernst nehmen und mit den Parteien sprechen. Eine Jamaika-Koalition schloss die Grüne aus.
Zwischen Illusion und Realität
Und auch bei der SPD will man sich der Ampel-Illusion noch eine Weile hingeben, bevor die Groko-Realität mit voller Wucht einsetzt. „Eine neue Regierung hat den berechtigten Anspruch, neue inhaltliche Verschiebungen zu machen“, sagt der SPD-Generalsekretär Detlef Tanke. Konkret heißt das, die SPD will inhaltlich auf die FDP zugehen, um sie umzustimmen.
Die CDU ist sich indes schon sicher, dass sie in Verantwortung kommt. „Im Moment haben wir die Situation, dass die CDU maßgeblich an der nächsten Landesregierung beteiligt sein wird“, sagt CDU-Generalsekretär Ulf Thiele. Eine große Koalition dürfe am Ende nicht am Klein Klein im menschlichen Bereich scheitern. Und obwohl die CDU an ihrem Wahlziel, stärkste Kraft zu werden, deutlich scheiterte, soll auch der Spitzenkandidat bleiben dürfen: „Ich gehe davon aus, dass Bernd Althusmann eine führende Rolle spielen wird.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!