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Koalitionstagung in MesebergAb hier bitte konstruktiv

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

Das Ringen um Entscheidungen ist in einem Dreierbündnis normal. Statt sich an Details festzukämpfen, wäre aber ein konstruktiver Arbeitsmodus hilfreich.

Habeck, Scholz und Lindner verkünden in Meseberg die frohe Botschaft: Wir haben alles im Griff Foto: Julian Weber/dpa

Z um Abschluss der Klausurtagung in Meseberg hat sich das Trio Scholz, Habeck und Lindner vor die Kameras gestellt und erwartungsgemäß die Botschaft gesendet: Wir haben alles im Griff. Der Kanzler sprach von mehr Fortschritt wagen, mehr Tempo und mehr Zuversicht. Habeck von erneuerbaren Energien, Lindner über privates Kapital. Worte zu den laufenden Auseinandersetzungen? Fehlanzeige. Die E-Fuels wurden auf Nachfrage gestreift, mit wenig Erkenntniswert.

Dabei ist die Liste der Uneinigkeiten ja lang: Haushalt, Kindergrundsicherung, Autobahnbau. Gasheizungen … Dass in Meseberg keine Lösungen präsentiert wurden, ist wenig verwunderlich. Neben Teambuilding war wohl die wichtigste Funktion dieser Tagung die mediale Inszenierung. Und die zielte eben auf Harmonie. Der Einfluss auf den Regierungsalltag dürfte dennoch überschaubar bleiben. Wenn es gut läuft, werden sich Grüne und FDP etwas weniger aneinander abarbeiten, und die SPD könnte zuweilen mal durchblicken lassen, ob sie auch eine Meinung hat.

Gleichzeitig wäre es hilfreich, sich aus der medialen Dauerempörung herauszubewegen. Nicht alles ist immer ein neuer Streit. Dass die erste Dreierkoalition auf Bundesebene in dieser Zeit um Entscheidungen ringt, wie man mit dem russischen Angriffskrieg ­umgeht, die Klimakrise meistert, Armut bekämpft und das Land modernisiert, dürfte eigentlich ziemlich normal sein.

Wichtig ist nur, ob die Ampel jetzt in einen konstruktiven Arbeitsmodus findet, der sich nicht in vergleichsweise unwichtigen Fragen verkämpft. In der Pflicht ist hier vor allem die angeschlagene FDP: Man müsste das Dauerthema Tempolimit nicht wochenweise aufwärmen, wenn der Verkehrsminister glaubhafte Pläne präsentieren könnte, wie sich CO2 im Verkehr einsparen ließe. Oder: Wenn der Finanzminister kein Geld lockermachen kann für die von allen angestrebte sozial-ökologische Transformation und Finanzierungsvorschläge durch Steuererhöhungen ablehnt, dann muss er Vorschläge machen, wie es anders gelingen kann.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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5 Kommentare

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  • ...alles im Griff...

    Wen wollen die drei Musketiere denn da beruhigen, die Wähler oder eher sich selbst...

    ....langsam, ganz langsam könnten mal die ersten Ergebnisse geliefert werden...

    ...wir warten schon ganz gespannt...

  • Sehe ich im Prinzip auch so. Ich kann es mir leider nicht verkneifen, einen Satz des Kommentars zu paraphrasieren. Mit der FDP im Boot ist es leider eher so:

    Dass [...] erste Dreierkoalition [...] um Entscheidungen ringt, wie man mit dem russischen Angriffskrieg ­umgeht, ob man die Klimakrise angeht, ob man Armut bekämpft und ob man das Land modernisiert, dürfte eigentlich ziemlich normal sein.

    Nein, normal finde ich das, ehrlich gesagt, nicht.

  • Danke für diese konstruktive Kritik!



    Es ist erfreulich mal einen Artikel zu lesen, der die Akteure der Ampel nicht beleidigt und ein paar konstruktive Vorschläge macht .



    Es hilft ja wenig, immer zu rufen:" Alles falsch, ich weiß es besser!"



    Die Dauerkritik ist weder angebracht, noch zielführend.



    Es sei denn, das Ziel wird auf Klicks verkürzt.



    Wer jedoch an Inhalten interessiert ist , sollte auch mal inne halten und nachschauen, was im letzten Jahr so alles passiert ist .



    Und das ist eine Menge.



    Die Ampel ist für mich die einzig Zukunftsfähige Koalition.



    Koalitionen mit der CDU, die sich ja " konservativer aufstellen" will, sind rückwärtsgewand und nicht fähig die derzeitigen Krisen auch nur ansatzweise zu lösen.



    Zur Klausur: klar ist teambuilding wichtig, das weiß ja mittlerweile JedEr, die/der nicht auf der einsamen Insel sitzt .



    Dass in einer Dreierkonstellation nicht Alle grundsätzlich einer Meinung sind, liegt in der Natur der Sache, ist ja schon schwierig, drei "Linke" mit einer Meinung zu finden.



    Der Vorteil der Koalition liegt gerade im gesellschaftlich breiten Spektrum . Demokratie ist eben ein Geben und Nehmen. Wenn am Ende Alle zufrieden sind, hält die Verbindung.



    Angesichts großer Aufgaben wäre ein bisschen weniger ich und deutlich mehr wir angebracht.



    Es ist erfreulich, in diesem Artikel Verständnis zu erkennen.



    Für Fundamentalkritik sind ja eigentlich CDU, CSU und AfD zuständig. Mit Ihnen 95 % der deutschen Medienlandschaft, die konservativ geprägt ist .



    Die wenigen, verbliebenen JounalistInnen müssen sich entscheiden, ob Sie was Anderes über die Regierung schreiben wollen, als Bild, Welt und der ganze Rest.

    • @Philippo1000:

      ...konstruktive Vorschläge ?



      ...zwischen welchen Zeilen haben Sie die denn vernehmen könnrn ?

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Sicherlich ist die FDP in ihrer kaum zu überbietenden Unverschämtheit gerade ein größeres Problem, dicht gefolgt von den Grünen.



    Viel schlimmer ist jedoch, das auch die meisten anderen Parteien nicht im Interesse der Bürger unter Wahrung grundgesetzlicher Pflichten handeln.



    Sie suchen im Bund und im Land idR nur nach Wegen, an die Macht zu kommen und dann möglichst lange dort zu bleiben. Vielleicht vertreten sie hier und da mal einige Partikularinteressen, aber das kann niemals eine mittel- oder langfristige Politik ersetzen.



    Wie sehr die fehlt, kann man beim Nachbarn Dänemark bewundern: Dort wird seit den 70er über ALLE Regierungen und Parteien an einer Wärmewende und Abkehr von fossilen Brennstoffen gearbeitet. Dänemark beheizt deshalb heute fast 70% seiner Gebäude mit nachhaltigen & klimafreundlichen Nahwärmetzen.



    So etwas wäre in Deutschland einfach undenkbar, selbst wenn wir den Förderalismus abschaffen würden. Zu groß und ignorant ist das Ego der Parteien.



    Sie halten sich allen Ernstes für wichtiger als die Demokratie selbst. Dabei sind sie ihr Totengräber. Wohin das am Ende führt kann man in den USA beobachten. Weit entfernt sind wir von solchen Zuständen freilich nicht mehr.